SWR3 Gedanken

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Beim Thema Prostitution krieg ich immer Bauchweh. Und der Grund dafür liegt direkt vor meiner Haustür gestoßen. Ich wohne in der Nähe der französischen Grenze, wo Frauen ihren Körper mittlerweile zu Billig-Preisen anbieten - das ist für mich moderne Sklaverei.

Bei uns im Dorf, gleich neben der Bäckerei, steht eine runtergekommene Gastwirtschaft. So eine mit eingeschlagenen Fensterscheiben. Gerüchte gibt es deswegen schon lange: junge Prostituierte sollen da wohnen und Drogen spielen wohl auch eine Rolle. Lange war mir das ziemlich egal, die Leute reden ja immer irgendwas...

Bis mich dort beim Einkaufen zwei junge Frauen angesprochen haben. Naja, angesprochen... Auf Bulgarisch oder Rumänisch haben sie mir klar gemacht, dass ihr Zehn-Euro-Schein im Zigarettenautomat steckt. Mit Händen und Füßen haben wir uns verständigt und das Geld am Ende auch wieder rausgekriegt.

Trotzdem war ich geschockt: in meinem Dorf wohnen junge Frauen, die kein einziges Wort Deutsch oder Englisch können. Die kennt niemand und mit denen spricht auch niemand. Wenn die beiden wirklich als Prostituierte arbeiten, dann muss es da diese Hintermänner geben, die ordentlich mitverdienen. Und anscheinend gibt es auch genügend Männer, die Sex mit genau solchen Frauen haben wollen.

Die Gerüchte in unserm Dorf können mir nicht länger egal sein, denn ich habe die Frauen ja getroffen.

Die Verkäuferin in der Bäckerei nebenan hat dazu gemeint: „Ruth, das ist nicht unsere Welt!“. Erst wusste gar nicht, was ich antworten soll. Mittlerweile weiß ich es: „Doch, das ist unsere Welt. Und wegschauen bringt gar nichts.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20986
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