SWR3 Gedanken

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Zwei Freundinnen von mir sind so richtige Perfektionistinnen. Ich mag sie gern. Und weil sie versuchen immer alles perfekt zu machen, sind sie auf ihre Weise auch richtig gut. Aber trotzdem mache ich mir Sorgen.

Meine Freundin Conny ist die typische Allround-Perfektionistin. Sie trägt immer den perfekten Style, sie managt ihre Zeit super und sie ist bei der Arbeit toll.

Meine Freundin Nathalie ist eine „soziale Perfektionistin“. Für andere macht sie alles möglich, egal ob es um selbstgebastelte Geschenke zu Weihnachten geht oder um das tolle Menü, wenn Gäste kommen. Ich habe das Gefühl, dass sie da manchmal ganz schön über die eigenen Kräfte geht.

Wenn man immer nur und überall perfekt sein will, dann, glaube ich, wird das auf Dauer zu anstrengend, oder sogar gefährlich. Weil Ruhepausen fehlen oder weil man vor lauter Rumrödeln keinen Schlusspunkt findet.

Ich kenne eine jüdische Geschichte, da geht es genau darum, dass mal Schluss sein muss mit dem Immer-Perfekt-Sein-Wollen. Ich glaube, die werde ich meinen Freundinnen mal schicken. Die Geschichte geht so:

Ein Mann ging durch seinen Weinberg. Da fand er eine kaputte Stelle in dem Zaun, der um seine Reben gezogen war. Gleich hat er angefangen daran rumzudoktern und den Zaun wieder ganz zu machen. Dann fiel ihm aber plötzlich was ein: Es ist ja heute Sabbat! Am Sabbat sollte man laut jüdischem Gesetz so etwas wie das Loch im Zaun gar nicht reparieren. Also beschloss er: Ich lasse das, und zwar für immer. Dieses Loch im Zaun werde ich NIE ausbessern.

Vielleicht war dieser Mann auch Perfektionist. Und das Loch im Zaun ist sein selbstgemachter Denkzettel. Auf dem steht: Perfektionismus okay, aber irgendwo muss auch mal Schluss sein. Ein guter Tag um damit anzufangen, wäre doch der Sonntag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20983
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