SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Eigentlich war es nur eine kurze Besorgung. Ein Einkauf, ein bisschen Smalltalk mit der Verkäuferin, die ich kenne. 

„Und wie geht es Ihnen?“, frage ich im Plauderton. „Naja“, sie schaut nachdenklich in die Ferne, „manchmal passieren einem seltsame Sachen... Heute Morgen ist ein junger Mann reingekommen. Ich kannte den nicht. Und dann fragt er mich plötzlich: ‚Was kommt eigentlich nach dem Tod?‘.“ Sie schüttelt kaum merklich den Kopf, als sie an den Vormittag zurückdenkt.
Ich versuche mir die seltsame Szene vorzustellen. Ich kann die Beklemmung der Verkäuferin gut verstehen. Warum stellt jemand so eine Frage einer fremden Frau in im Laden? Wie kann man darauf reagieren?
„Und dann?“, frage ich die Verkäuferin. „Ich habe gefragt, warum er das wissen will“, erzählt sie. „Und er hat gesagt, seine Mutter liegt im Sterben und er weiß nicht, was er tun soll. Da habe ich ihm gesagt, dass er viel Zeit mit ihr verbringen soll. Das ist wichtig, das ist meine Erfahrung.“
Als sie fertig erzählt hat, bin ich ganz beeindruckt. Von beiden – von dem jungen Mann und der Frau aus dem Laden. Von ihm, weil er sich getraut hat, zu fragen. Ob er niemanden sonst hat, mit dem er darüber reden kann? Oder ob er einfach jemanden fragen wollte, der nicht so nah dran ist? Wie auch immer – es war ihm ein Bedürfnis, und er hat es getan.
Mindestens so sehr beeindruckt hat mich aber die Verkäuferin. Weil sie der Frage nicht aus dem Weg gegangen ist, sondern nachgefragt hat – und sogar eine Antwort gewagt. Sie hat mit dem jungen Mann ein Stück ihrer Lebenserfahrung geteilt, und das in einer so ungewöhnlichen Situation.
Später habe ich noch lange über diese Ladenszene nachgedacht. Hätte ich etwas zu sagen gewusst in dieser Situation? Und Sie?
Ich habe gemerkt, wie gut es ist, wenn jemand mit der Frage nach dem Tod umzugehen weiß. Die Verkäuferin hat – vielleicht bewusst – keine religiöse Antwort gegeben. Obwohl ich weiß, dass der christliche Glaube wichtig ist für sie. Aber ich glaube, er hat ihr geholfen, überhaupt darüber zu sprechen. Und offen zu sein für die Fragen, die auf sie zukommen.
Wer der junge Mann war, wie es ihm jetzt geht – ich weiß nichts darüber. Aber ich bin mir sicher: An diesem Morgen hat beim Einkaufen etwas geschenkt bekommen.

 
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