SWR2 Wort zum Tag

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Seit zwei Tagen tagen sie: Über 2000 Vertreterinnen und Vertreter aller christli-chen Kirchen Europas. Sie treffen sich bei der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Sibiu. Viele kennen sie auch unter ihrem alten Namen »Hermann-stadt«. Die rumänische Stadt liegt am Rande Europas. Ein symbolischer Ort. Denn Ökumene kommt vom griechischen »oikomene« und das meint: „die ganze be-wohnte Erde, der Erdkreis“. Im Begriff der Ökumene steckt damit zweierlei. Zum einen das Wissen um Grenzen. Ökumene geht bis zu den Rändern der bewohnten Erde. Zum anderen ist Ökumene aber auch eine Chiffre für das, was sich Menschen erhoffen: die Einheit der Welt. Ökumene will nichts und niemanden ausschließen. Ökumene umfasst alles und alle. Diese Sehnsucht nach einer weltumspannenden Einheit der Menschen und das Wissen um Grenzen und Ränder ergänzen sich.
Im engen Sinn heißt Ökumene allerdings: Christen suchen nach einer Einheit der vielen Kirchen – seien sie katholischer, evangelischer, orthodoxer oder anglikani-scher Herkunft. Doch diese Einheit muss nicht in einer Einheitskirche enden. Das macht das Treffen in Sibiu deutlich. Es steht unter dem Leitwort: „Das Licht Christi scheint auf alle. Hoffnung für Erneuerung und Einheit in Europa“. Die Kirchenver-treter, Männer und Frauen aus ganz Europa, beraten hier, was die Kirchen für das Zusammenwachsen Europas leisten können, welche Rolle der Glaube bei diesem Prozess spielen kann und welche Werte die Christen in dieses Europa mitbringen können.
Die Einheit der Kirchen besteht, so meine ich, nicht vordergründig darin, dass es nur noch eine Kirche gibt. Die Einheit der Kirchen scheint im Leitwort auf: Alle christlichen Glaubengemeinschaften, so verschieden sie auch sein mögen, berufen sich auf Jesus Christus. Er ist das Licht, an dem sich jede Kirche, jede Christin, jede Christ auf ihrem eigenen Weg orientiert.
Trotzdem: Auch nach Sibiu bleiben die vielen christlichen Kirchen getrennt. Nicht nur ich finde: Ein Skandal. Es ist ein Skandal, dass der christliche Glaube in Tau-senden von Kirchen und Glaubensgemeinschaften gedreht und gewendet wird. Skandalös ist das vor allem, weil diese Trennung schon zu viele Opfer forderte. Geopfert wurde die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft, geopfert wurden aber auch Menschen – Gewalt im Namen der Konfession ist bis heute gegenwärtig. Und die Frage brennt unter den Nägeln: Wie sollen die getrennten Kirche etwas für das Zusammenwachsen Europas tun können, wenn sie sich nicht selbst näher kommen können? Von Sibiu müsste deshalb der Impuls ausgehen, dass die Kirchen und Christen vormachen, was es heißt: In Verschiedenheit miteinander gemein-sam leben. Dann hätte sich die dritte Europäische Ökumenische Versammlung in Sibiu gelohnt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2092
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