SWR2 Wort zum Tag

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Er ist eines der schönsten Denkmale christlicher Kunst, das ich gesehen habe: Der Dom von Monreale in Sizilien, unweit von Palermo. Ihn ziert ein komplettes 1000 Jahre altes biblisches Bildprogramm. Künstlerisch stehen seine Mosaiken der Hagia Sophia in Istanbul nicht nach.
Christus als Weltenherrscher
Und dann der Kreuzgang: Schöner und die Seele befriedender habe ich noch keinen anderen erlebt.
Aber beim Staunen über diese Schönheit habe ich auch gespürt. Irgendetwas verschweigt sie: Und zwar etwas, was für mich ganz wichtig ist.
Aber zuerst zur Schönheit: Das Bild im Innern des Doms ist der segnende Christus im Chor des Mittelschiffes, der Christus Pantokrator. Es zeigt den Ewigen Christus als Weltenherrscher. Ein ernstes, schönes Gesicht schaut mich an. Kein direkt freundlicher Gott. Dennoch tröstend. Mit seiner ernsten würdevollen Schönheit drückt er für mich aus: ‚Schau zu mir auf. Ich habe den Tod besiegt. Und Du musst darum den Tod nicht fürchten. Meine segnende Kraft ist über Dir. Du bist unterwegs zur Ewigkeit.‘ So etwa höre ich den Weltenherrn Christus in Monreale sagen.
Warum habe ich dann das Gefühl, dass in dieser Schönheit etwas fehlt, fragen Sie vielleicht. Es kam bei mir auf, als ich die Darstellung der Kreuzigung gesucht habe. Man findet sie schwer. Schon das ursprüngliche Bildprogramm vor 1000 Jahren hat sie eher versteckt. In einem Seitenschiff. Die christlich- normannischen Herrscher Siziliens, die den Dom bauen ließen, hatten mehr Interesse an Christus als Sieger. Sein schändlicher Tod am Kreuz war ihnen mehr eine Episode auf dem Weg zur ewigen Macht. Und im Lauf der Zeit hat man die Kreuzigung in der Kirche noch mehr versteckt. Den Orgelprospekt davor gebaut.
Warum liegt mir so an der Kreuzigung?
Das ist doch ein Symbol der Gewalt und der Erniedrigung von Menschen. Vielleicht verstehen Sie, warum sie mir so wichtig ist, wenn ich ein paar Sätze von Martin Luther lese. Er hat geschrieben:
„In die Tiefe will niemand sehen, dorthin wo Armut, Schmach, Not, Jammer und Angst ist, da wendet jeder die Augen ab. Darum bleibt allein Gottes Sehen, das in die Tiefe, Not und Jammer sieht. Er ist all denen nah, die in der Tiefe stecken. Darum hat er auch seinen liebsten Sohn Christus in die Tiefe des Jammers gehen lassen.“ (Martin Luther).
Dieser Christus ist für mich Hoffnung, dass Gott gerade bei Menschen ganz unten ist. Ohnmächtig mitleidend. Als Weltenherrscher allein bliebe er zu weit oben. Gut, dass Gott gerade in den Tiefen ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20916
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