SWR2 Wort zum Tag

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…die Fluchtursachen bekämpfen! Dieser Ausdruck ist zur Zeit in aller Munde, wenn es um die Flüchtlingskrise geht. Mir spricht dieses Ansinnen aus der Seele: Eine der wichtigsten Ursachen ist die verbreitete Armut in Entwicklungsländern, vor allem in Afrika. Mich ärgert aber, dass uns erst dann einfällt, über die Lebensverhältnisse der sogenannten „Wirtschaftsflüchtlinge“ zu reden, wenn sie zu tausenden an unseren Grenzen stehen oder auf Booten versuchen, das Mittelmeer zu überqueren. Wo sind diese Themen, wenn die Zeit der Wahlkämpfe kommt? Dann wird es um die „Begrenzung der Zuwanderung“ gehen und um viele, uns direkt betreffenden Themen. Nicht aber um die Frage, wie eine gute Entwicklungspolitik für Afrika aussehen kann.

Damit man mich nicht falsch versteht, ich weiß nur zu gut, dass vieles „hausgemacht“ ist, was die Menschen in Entwicklungsländern arm hält. Ich habe selbst einige Jahre in Afrika gelebt und weiß, was Korruption, Machtmissbrauch und Misswirtschaft sind. Aber ebenso wahr ist auch, dass wir in den Industrieländern unsere eigenen Vorteile ausnutzen. Dies ist mitverantwortlich für Armut, die die Menschen in die Flucht treibt. Keine Entwicklungshilfe kann wettmachen, was die ungerechten Wirtschaftsstrukturen zerstören, also die schwachen Volkswirtschaften davon abhalten, stark zu werden. Unseren weit entwickelten Ökonomien spielt dabei in die Karten, dass die Preise für Industriegüter immer mehr steigen, die für Nahrungsmittel und Rohstoffe aber seit Jahrzehnten sinken. Dadurch müssen Entwicklungsländer immer mehr des Erlöses von ihren Produkten bezahlen, um unsere Produkte kaufen zu können. Europa dagegen schützt seine Agrarmärkte durch riesige Subventionen, die den Bauern in den Entwicklungsländern keine Chance auf dem Weltmarkt lassen. In seinem Lehrschreiben Evangelii Gaudium hat Papst Franziskus das Weltwirtschaftssystem als "in der Wurzel ungerecht" bezeichnet. Er schreibt: „Heute spielt sich alles nach den Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und nach dem Gesetz des Stärkeren ab, wo der Mächtigere den Schwächeren zunichte macht. Als Folge dieser Situation sehen sich große Massen der Bevölkerung ausgeschlossen und an den Rand gedrängt: ohne Arbeit, ohne Aussichten, ohne Ausweg.“ Und er geißelt ein „undifferenziertes, naives Vertrauen“ auf die freien Märkte und Wirtschaftswachstum um jeden Preis. Dieses Vertrauen predigen dem Papst zufolge vor allem diejenigen, welche „die wirtschaftliche Macht in Händen halten“ und die „sakralisierten Mechanismen des herrschenden Wirtschaftssystems. Inzwischen warten die Ausgeschlossenen weiter.“ Spätestens jetzt, in der Zeit der Flüchtlingskrise, ist es höchste Zeit, diese Probleme ernsthaft anzugehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20841
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