Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Unsere drei Kinder sind im Zeitraum von drei Jahren geboren. Und weil sie immer ähnliche Bedürfnisse hatten, gab es lange Zeit ein Gerangel: Erst um den Platz auf Mamas Schoß, dann um die Bauklötzchen, später um die Pickelcreme und um die besten Schulnoten. Früher kam es schon mal vor, dass die Lehrer ihre Namen verwechselten. Deshalb haben sie, so bald sie konnten, sehr verschiedene Wege gewählt. So bald sie sich selbst als Original entdeckten und auch von anderen so gesehen wurden, war das Gerangel vorbei.
Für mich als Mutter waren die drei immer sehr verschieden. Und ich habe jedes auf eine andere Weise geliebt.

All das geht mir durch den Kopf, wenn ich in der Bibel lese: Gott liebt uns Menschen, wie eine Mutter oder wie ein Vater. Vor Gott sind wir so etwas wie Geschwister. „Wir“ das sind nicht nur Christinnen und Christen, das sind auch die Muslime, Buddhisten und Atheisten und all die, die gar nicht wissen, was sie eigentlich sind.
Gottes Liebe ist schon immer global. Nur wir tun uns- wie Geschwister nun mal sind- nicht so einfach damit. Manchmal denke ich: vielleicht sind wir uns einfach zu ähnlich- wir Christen und Muslime- müssen deshalb darum rangeln, wer wohl den Platz auf Gottvaters Schoß zuerst besetzen darf und wer die besten Noten bekommt im globalen Spiel der Werte. Und sicher hat Gott auch seine Mühe mit unsren Eigenarten und Macken, hat vielleicht gar keinen Sinn für all das religiöse Getue, mit dem wir uns als etwas Besonderes vor ihm darzustellen versuchen.

Die Bibel sieht das eher praktisch und hautnah. Jeder Mensch trägt Gottes Odem in sich, seinen Geist. Jeder Mensch- auch der andersgläubige- ist sein Ebenbild, ist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.
Unsere Liebe ist endlich und menschlich- auch als Mütter und Väter. Gottes Liebe endet niemals.

Für mich ein wunderbarer Gedanke. Teil einer großen Menschheitsfamilie zu sein- Schwester von allen. Andererseits aber auch eine herbe Zumutung. Denn es ist ja manchmal schon schwer, die leiblichen Geschwister zu ertragen. Sind wir eine Menschheitsfamilie, dann habe ich auch all die zu ertragen, die mir total gegen den Strich gehen. Und sogar die, bei denen ich mich frage: warum Gott mir die zumutet.

Ich glaube, heute ist ein guter Tag, über allen Zerwürfnissen der vergangenen Woche noch einmal an den einen gemeinsamen Vater zu denken. Man muss sich ja nicht gleich um den Hals fallen. Aber einander leben lassen. Das ist doch schon was. Tja, so ist das halt mit der krummbuckligen Verwandtschaft.

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