Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Gutmensch – das ist heutzutage fast ein Schimpfwort, jedenfalls steht es für Menschen, die vor lauter Gutmütigkeit in den Augen der anderen naiv oder gar etwas blöd scheinen. Vielleicht ist das, was der Gutmensch tut, angemessen und richtig, aber weil er keine Gegenleistung dafür bekommt oder weil es sich nicht lohnt oder weil die Hilfebedürftigen eben auch keine Engel sind, wird der Helfer als Gutmensch disqualifiziert.

Ich persönlich finde Gutmenschen prima, gute Menschen, die hilfsbereit sind und freundlich, weil sie es sein wollen. Nicht, weil die Welt ihnen immer freundlich entgegen kommt.

Bestes Beispiel ist mein Freund Karl. Er kümmert sich um Cem, einen traumatisierten jungen Mann mit ausländischen Wurzeln, der alles andere als einfach ist. Dafür gibt es auch Gründe: Er schläft nachts nicht, wird von Erinnerungen und Albträumen gequält und steckt mit einem Bein immer in seiner schlimmen Vergangenheit. Aber tagsüber ist er laut, aufbrausend und ohne erkennbaren Grund aggressiv - zum Fürchten eigentlich. Niemand würde die Hand dafür ins Feuer legen,  dass er im Zorn nicht auch gewalttätig werden könnte.

Karl lädt Cem ein, aufs Land zu kommen und eine Weile dort zu wohnen – weg aus der Großstadt, weg von den Aufregungen, ein beschauliches Leben in Ostfriesland mit Tee statt Bier.  Aber zu der äußeren Ruhe gesellt sich nicht die innere. Cem bleibt aufgebracht und chaotisch. Er gibt geliehene Sachen nicht zurück, er hält nicht sein Wort, wenn er etwas versprochen hat. Es ist oft unangenehm mit ihm.  Da liegt es nahe, sich nicht mehr zu kümmern, selbst unfreundlich zu werden, zurück zu brüllen, den Kontakt abzubrechen. Das alles passiert aber nicht. Karl bleibt  seiner Linie treu, bleibt höflich, freundlich, hilfsbereit. Nicht wegen Cem, sondern weil er so sein will: ein guter Mensch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20837
weiterlesen...