SWR4 Abendgedanken

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Pegida-Demos in Dresden, Begrüßungsaktionen an Bahnhöfen: Die Flüchtlingskrise begegnet mir auf allen Kanälen. Jeder schätzt die Situation anders ein. Die einen reden von den Chancen für die Wirtschaft und die Rentenkasse. Andere machen sich Sorgen. Wieder andere werden gewaltätig.

Ich hab mich schon oft ohnmächtig gefühlt, wenn ich die Nachrichten gesehen habe. Ich will endlich selbst etwas tun. Darum engagiere ich mich seit kurzem bei einer Arbeitsgruppe zum Thema Flüchtlinge. Die Gruppe gehört zu meiner Pfarrgemeinde. Als Christen wollen wir helfen. Unser Ziel ist: Wohnraum für Flüchtlinge zu finden. Da ist zum Beispiel ein Raum im Gemeindehaus, der nur noch selten gebraucht wird. Oder es gibt sogar eine kleine Wohnung, in der früher ein Pfarrer wohnte.

In der Gruppe machen wir uns Sorgen darüber, dass die Stimmung im Land kippt. Erst wollen alle helfen, dann kommt das böse Erwachen? So muss es nicht kommen. Ich habe schon mit Menschen gesprochen, denen die Flüchtlingskrise Angst macht. Zum Beispiel Lorenzo aus meiner Fußballmannschaft. Er ist selbst vor vielen Jahren nach Deutschland eingewandert. Nach Jahrzehnten harter Arbeit kann er gut leben. Aber wenn die Mieten immer höher werden, wird es für ihn schwieriger. Er fragt sich, warum die Flüchtlinge jetzt Wohnungen in der Nachbarschaft bekommen. Das findet er ungerecht.

Ich kann Lorenzo auch verstehen. Weil so viele Menschen in Deutschland Schutz und Unterkunft suchen, stehen uns anstrengende Zeiten bevor. Alle müssen sich dabei umstellen und verändern. Es müssen hunderttausende Wohnungen im ganzen Land gebaut werden, damit die Mieten bezahlbar bleiben. Das Leben in der Nachbarschaft wird sich verändern. In den Schulen wird es viele Schüler und Schülerinnen geben, die neu dazukommen. Und immer geht es darum, den anderen und seine Kultur kennen zu lernen.

Ich engagiere mich für Flüchtlinge, weil ich hoffe, dass es allen zugutekommt. Denen, die hier schon lange leben. Denen, die neu dazu kommen. Die Risiken sind mir dabei bewusst. Auch ich weiß nicht, wie es weitergehen wird. Aber ich will nicht nur Zaungast sein, wenn sich mein Umfeld verändert. Ich will vor Ort einen Beitrag leisten, wenn Menschen Hilfe brauchen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20829
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