SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

So stelle ich mir ein glückliches Familienleben vor: Jung und alt verstehen sich gut, alle gehen offen und liebevoll miteinander um.

Das wäre perfekt. Aber es gibt viele Gründe, warum es längst nicht überall so harmonisch zugeht. Eine Ursache können Ereignisse sein, die schon lange zurückliegen. Darüber lese ich gerade in einem Buch von Sabine Bode. Das Buch heißt „Kriegsenkel“.

Hier erzählen Menschen davon, welche tiefen Spuren der Krieg in ihren Familien hinterlassen hat. Vor allem in den Seelen der Eltern und Großeltern. Manche Erfahrungen sind für Menschen so traumatisch, dass sie sich innerlich zurückziehen. Die Gefühle stumpfen ab. Es fällt ihnen schwer, zärtlich und liebevoll zu sein. Selbst wenn es um die eigenen Kinder geht. Sabine Bode schreibt in ihrem Buch, dass viele Familien diese seelischen Verletzungen weitertragen. Das Trauma wird quasi vererbt. Darüber zu sprechen fällt vielen schwer. Nach dem Krieg hieß es erst einmal: Wir müssen nach vorne schauen, aufbauen, weitermachen. Über Krieg und Vertreibung wollte kaum einer reden. In vielen Familien ist das erst heute möglich.

Die Autorin rät dazu, sich zu fragen: Was hat meine Familie geprägt? Welche Verletzungen gab es? Dann verstehe ich zum Beispiel besser, warum manche Eltern und Kinder einander fremd sind. In dem Buch zeigt sich, dass es nicht um Einzelfälle geht. Spuren des Krieges zeigen sich in vielen Familien. Ich habe durch das Buch gelernt: Ein Krieg kann eine Familie für lange Zeit belasten. Eine verwundete Seele braucht Zeit, um zu heilen. Nicht immer ist es möglich, in der Familie darüber zu sprechen. Vielen fehlt die Kraft, um über die Kriegsjahre offen zu reden. Anderen fehlen die Gesprächspartner, weil zum Beispiel die Großeltern bereits verstorben sind. Mir hilft das Buch dabei, das Leben meiner Großeltern besser zu verstehen. Anderen helfen Gespräche in der Familie oder sie suchen sich eine Beratung.

Im Buch „Kriegsenkel“ berichten Menschen davon, wie sie diesen Weg gegangen sind. Viele haben zu neuer Lebensfreude gefunden – und sehen ihre Familie mit neuen Augen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20828
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