Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Was bedeutet das eigentlich, mit der Erbsünde?“ Hat mich jemand gefragt.
Solche Fragen bringen mich erstmal ganz schön ins Schwitzen…
In der Bibel steht: Als die ersten Menschen, Adam und Eva, etwas tun, das Gott ausdrücklich verboten hatte - das war der Anfang aller Sünde. Und seither tun Menschen immer wieder Dinge, die von Gott eigentlich verboten sind.
Aber das Ganze hat auch noch eine andere Dimension. In meinen Augen geht es auch um diese tragische Verstrickung von Umständen, Fehlentscheidungen und ganz unbewussten Dingen, aus der man kaum rauskommt.
Wie oft sieht man z.B., dass jemand genau das wiederholt, worunter er oder sie selber so gelitten hat.
  
Da erzählt mir eine Frau von ihrem guten Verhältnis zu ihrem Sohn. Und wie rührend er um sie besorgt ist. Und was er alles für sie macht…
„Aber wenn man so darüber nachdenkt“, sagt sie, „Wir haben ihn ja auch nach Strich und Faden verwöhnt. Er durfte alles. Und bekam alles. Denn ich selbst hatte keine schöne Kindheit. Für meine Eltern war ich nur Luft. Für die gab es nur ein einziges Kind, und das war der Sohn. - Ich glaube, die hätten nicht mal bemerkt, wenn ich plötzlich nicht mehr da gewesen wäre…“
 
Bei dem Gedanken kommen ihr jetzt noch die Tränen.
„Haben Sie denn noch mehr Kinder?“ frage ich.
Sie winkt ab. „Eine Tochter.“
Jetzt bin ich neugierig. „Eine Tochter…?“
„Ja. Aber wir reden schon seit Jahren nicht mehr miteinander. Sie war immer schon schwierig und fordernd, schon als ganz kleines Kind. Heute ist sie nur noch Luft für mich.“
Man muss kein Psychologe sein, um das Wiederholungsmuster zu erkennen. Und was es besonders tragisch macht: sie merkt nicht einmal, dass sie ihrer Tochter genau das gleiche antut, wie ihre Eltern.
Kann man diesen Zwang, alles Schlimme zu wiederholen, hinter sich lassen? Gibt es einen Weg aus der „Erb- Sünde“?
 
Ich glaube, dazu müssen einem erstmal die Augen aufgehen. Damit man es überhaupt sieht. Und begreift: Ich bin nicht nur Opfer. Ich mache auch Fehler. Und bin an der Misere beteiligt. Und ich glaube: in dem Moment, in dem wir die Verantwortung dafür übernehmen, da verliert die Erbsünde ihre Macht.

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