SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Ich danke Ihnen, dass Sie mir immer wieder mehr zugetraut haben als ich mir selbst“, stand auf der kleinen Karte. Die junge, zerbrechlich wirkende Frau hatte sie zum Abschied geschrieben.
An der Schule, wo sie ein Praktikum gemacht hatte, war man schon nach kurzer Zeit der Meinung gewesen, der Beruf sei nichts für sie. Zu stressig der Kontakt mit den Kindern, der ständige Lärmpegel, die fordernden Eltern. 
Nur eine Kollegin hatte eine abweichende Meinung. Sie hatte der jungen Frau zugetraut, dass sie es schaffen würde. Mit etwas Geduld und ein bisschen Selbstvertrauen.
Als sie dann nach vier Wochen ihr Praktikum beendet hatte und ging, fiel das nicht groß auf. Routine im Schulalltag. Ein ständiges Kommen und Gehen.
Was von ihr zurückblieb, war nur die kleine Karte. Adressiert an die eine Kollegin mit der anderen Meinung. Darauf der Satz: „Ich danke Ihnen,  ass Sie mir immer wieder mehr zugetraut haben als ich mir selbst.“
Eine beglückende Erfahrung drückt sich darin aus. Ich habe gespürt, da meint es jemand gut mit mir. Ich habe gespürt, da hat jemand Vertrauen zu mir. Mehr als ich selbst zu mir habe.
So ein geschenktes Vertrauen begleitet einen durchs ganze Leben. Macht die eigenen Schritte leichter. Lässt Hindernisse, die eben noch wie ein Berg vor mir standen, zusammenschrumpfen.
Die gegenteilige Erfahrung ist ja häufiger. Dass jemand zu mir sagt: Das schaffst Du nie! Die Schule. Das Erlernen einer Sprache. Eine Berufsausbildung. Die „Das schaffst Du nie“- Stimmen sind viel häufiger im Leben. Sie wiederholen diesen Satz so lange, bis ich ihn selbst zu mir sage. Und mir nichts mehr zutraue.
Ich finde, es gehört zu den schönsten menschlichen Fähigkeiten, einem anderen Menschen Anerkennung und Vertrauen zu entgegenzubringen. Ihm zu sagen: du kannst das! Du schaffst das! Ich glaube an Dich.
Für mich ist ein solches Vertrauen wie ein Segen, der über mir ausgesprochen wird. Und den ich weitergeben kann. „Gott lässt sein Angesicht über dir leuchten“, heißt es in einer alten Segensformel. Gott denkt groß von dir. Größer als ich selbst es je wagen würde.
Mit dieser Zusage Gottes kann ich Berge versetzen. Und anderen Menschen freundlich begegnen. Und höre dann vielleicht auch eines Tages diesen Satz: „Ich danke Ihnen, dass Sie mir immer wieder mehr zugetraut haben als ich mir selbst.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20804
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