SWR2 Wort zum Tag

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„Für mich ist der Buddhismus besser als das Christentum,
weil er sich im Alltag besser leben lässt.“ So hat ein Student gesagt,
der wie viele vom Dalai Lama fasziniert war, als dieser vor ein paar Wochen hier zu Besuch war.
Die Gebote des Dalai Lama scheinen diesem Studenten alltagstauglicher als die
von Jesus, deshalb lebt er mit dem Buddhismus.
Ich vermute, der Dalai Lama selbst würde das nicht empfehlen. Er betont immer wieder,
dass er es für besser hält, andere Religionen kennen zu lernen, sie zu achten, aber
zugleich bei der eigenen Religion zu bleiben. In ihr weiter zu kommen und zu wachsen.
Ich finde es darum sehr spannend, zentrale Gebote Jesu und des Dalai Lama
nebeneinander zu hören:
Jesu zentrale Lebensregel ist das Doppelgebot der Liebe:
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt« (5.Mose 6,5). Das ist die erste Hälfte und die zweite:
»Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«.
Gott lieben und den Nächsten wie sich selbst. Sich daran im Alltag zu orientieren und
das immer neu zu üben. Das ist die Lebensaufgabe, die Jesus stellt.
In den Geboten des Dalai Lama ist auch immer wieder von der Liebe die Rede.
In diesem zB.:
„Die beste Beziehung ist die, in der die Liebe füreinander das Brauchen ersetzt.“
Was für ein Ziel. Als Mensch so weit zu werden, dass man nicht den eigenen Nutzen beim anderen sucht, sondern einfach liebevoll füreinander da ist. Ob alle, die den Dalai Lama anhimmeln, wirklich begreifen, was das für ein anspruchsvolles Ziel ist?
Ich glaube, was Jesus und der Dalai Lama unter Liebe verstehen, ist nicht weit auseinander. Und alltagsorientiert ist sie bei beiden. Es geht nicht um romantische Gefühle,
sondern um Liebe mitten im Leben.
Was die beiden wohl unterscheidet ist, dass Jesus uns immer in einer liebevollen Dreicksbeziehung sieht. Ich – die anderen -und das können sogar Feinde sein– und Gott.
Beim Dalai Lama geht es um die Liebe zwischen Menschen.
Für mich ist dieses Dreieck, in das Jesus mich hineinstellt, sehr wichtig.
Liebenswert sind da nicht nur die Menschen, die mir lieb und recht sind.
Gott liebt ja auch die anderen. Und fordert mich damit heraus.
Jesus macht die Liebe weit und anspruchsvoll.
Weitet sie aus auf die Unliebsamen, die Fremden, sogar die Feinde.
Jesus belässt es nicht bei der natürlichen Liebe, er führt weit darüber hinaus.
Das ist in der Tat mehr als alltäglich. Und soll doch genau so unseren Alltag neu machen.
Und noch etwas sagt mir Jesu Dreieck: Ich muss nicht aus mir selbst lieben, sondern kann wissen, dass ich von Gott zuerst geliebt bin. Sogar dann noch, wenn meine Liebe versagt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2074
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