SWR2 Wort zum Tag

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Johannes Paul II. wurde letztes Jahr heiliggesprochen. Er war der erste slawische Papst und über 26 Jahre im Dienst. Am 22. Oktober 1978 kam er in Amt und Würden. Und deshalb ist heute sein Gedenktag. 

Im Mai 1981 fährt er in seinem offenen Wagen über den Petersplatz zur Generalaudienz. Tausende Menschen jubeln ihm zu. Immer wieder beugt sich der Papst in die Menge, um Kinder zu segnen oder Hände zu schütteln. Auf einmal zwei Schüsse und Hektik unter den Securities. Der Papst fällt vornüber und bewegt sich nicht mehr. Viele halten die Luft an und beten. Und sie sehen, wie er ins Gemelli-Krankenhaus abtransportiert wird. 

Nur knapp entkommt Papst Johannes Paul II. dem Tod. Das Erstaunlichste aber folgt, als er wieder sprechen kann. Noch im Krankenbett ist einer seiner ersten Sätze: „Ich bete für den Bruder, der mich getroffen hat und vergebe ihm ehrlich.“ 

Ich weiß nicht, ob ich das geschafft hätte - meinem eigenen Killer verzeihen. Aber für Papst Johannes Paul den Zweiten war es nur folgerichtig. Er folgt dabei nämlich dem Tipp, den Jesus schon seinem Vorgänger gegeben hat: Jesus sagt nämlich zu Petrus: „Nicht sieben Mal sollst du vergeben, sondern 77 Mal.“ Jesus geht es dabei nicht um ein Zahlenspiel oder ein „Je mehr desto besser“. Er meint damit: Wir sollen immer und überall vergeben, und zwar ohne jede Einschränkung. Sogar dann, wenn mich jemand töten möchte. 

Ich finde, das ist ganz schön viel verlangt. Oft führen ja schon Kleinigkeiten zu jahrelangem Zoff: zum Beispiel wenn ich einen Geburtstag verpasse, oder wenn ich jemanden vergesse einzuladen. Wie schwer muss es dann erst für eine mehrfach betrogene Ehefrau oder für ein lebenslang entstelltes Unfallopfer sein, wenn sie dem anderen verzeihen sollen? 

Jesus will mit diesem uneingeschränkten Vergeben sicherlich nicht, dass wir Unrecht unter den Tisch fallen lassen oder gar gut heißen. Er will befreien vom Hass und von Rachegefühlen. Und dass dann die entstandenen Verletzungen heilen können. Dazu muss ich sie eben irgendwann innerlich mal ruhen lassen. Die Tat soll mein Leben nicht länger als nötig im Griff haben. 

Papst Johannes Paul II. hat nach seinem mündlichen Verzeihen übrigens noch einen drauf gesetzt: Zwei Jahre später besucht er den Attentäter Ali Agca im Gefängnis. 20 Minuten lang spricht er mit ihm unter vier Augen und umarmt ihn schließlich. Ich denke, diese Umarmung hat beiden Seiten gut getan: Ali Agca - aber bestimmt auch dem Papst.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20739
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