Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Macht die Nacht zum Tag! Zumindest gefühlt!“
Ich zeige meine Frau die Anzeige, die ich gerade in der Zeitung lese. Direkt nach dem Titelblatt. Ein Autohersteller wirbt mit neuen Scheinwerfern. Die machen die Nacht so hell wie den Tag. Zumindest „gefühlt“.
Meine Frau interessiert sich nicht für Autos.
„Ja, und?“, fragt sie, „wir haben doch schon ein Auto.“
„Nein“, sage ich, „mir geht es nicht um das Auto, mir geht es um den Spruch: ,Gefühlt: Macht die Nacht zum Tag!‘ Das mit dem ,Gefühlt‘!“
Vielleicht haben Sie das auch schon mal gehört „Gefühlt ist es so und so.“
Beim Wetterbericht hat das, glaube ich, angefangen. Eigentlich ist es 20° warm, aber gefühlt sind es nur 15, weil ein kalter Wind weht. Als ich das zum ersten Mal gehört habe, habe ich gedacht: Das ist ja sinnvoll. Dann kann ich noch eine Jacke mitnehmen.
Aber mittlerweile höre ich das ständig:
„Gefühlt bin ich heute schon 300km gefahren.“ 
„Gefühlt hat 100mal das Telefon geklingelt.“
Und in der Werbung eben: „Gefühlt ist das Auto das allerbeste und sparsamste, das man haben kann.“ In Wirklichkeit ist es eine Dreckschleuder, die zu viel verbraucht.
Bei Gott und im Glauben, da geht es um ein Gefühl. Da passt das mit dem „Gefühlt“!
Ich fühle, dass da jemand ist. Jemand, der es gut mit mir meint.
Wenn ich im Urlaub am Meer stehe und die Weite bestaune. Wenn ich in den Weinbergen meiner Heimat spazieren gehe und die Sonne durch die Wolken bricht. Wenn ich mitten in der Stadt auf einmal eine Idee bekomme, eine Eingebung habe.
Dann fühle ich. Dann bin ich einfach überzeugt, dass ich richtig bin. Nicht weil ich es weiß, sondern weil mir ein Licht aufgegangen ist.
Hier ist das Gefühl entscheidend. Aber nicht beim Auto. Das zählen Fakten!
Ich lege die Zeitung weg. „Das Auto kaufen wir nicht“, sage ich zu meiner Frau.
Meine Frau schaut auf: „Wir haben doch schon ein Auto!“

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