SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

In Mozarts Oper ist Don Giovanni der Lebemann und Wüstling par excellence. Er lügt, mordet, verspricht viel und hält nichts. Ohne Regeln zu leben, hält er für Freiheit. Er kennt weder Mitleid noch Solidarität noch Schuldgefühle. Er sucht das Leben im sexuellen Genuss, ist unfähig zur Bindung, unfähig zu wahrer Liebe. Es ist ein Leben ohne Achtung, ohne Respekt vor dem Anderen. Er scheitert und geht zugrunde.
Mich erinnert diese Geschichte an die vom verlorenen Sohn im Neuen Testament. Der lässt sich von seinem Vater sein elterliches Vermögen auszahlen, um sich in der Fremde eine eigene Existenz nach seinen Vorstellungen aufzubauen. Er sucht nach einem selbstbestimmten Leben, aber er verspielt es. Er lebt zügellos wie Don Giovanni, bemisst wie dieser den Wert des Lebens im Habenwollen und im Besitz. Er verprasst sein Vermögen, gerät auf die schiefe Bahn, scheitert und muss ein würdeloses Dasein fristen.
Scheitern ist eine schlimme Erfahrung. Danach wieder aufzustehen und neu anzufangen, fällt schwer. Wie soll es weitergehen? Bekomme ich eine Chance zum Neuanfang, im Beruf, in einer zerrütteten Beziehung, nach Versagen?
So  fragt auch der Sohn. Er wollte ja, schreibt der Philosoph Peter Bieri, Subjekt im eigenen Leben werden, wollte in Einklang mit seinen Gedanken, Gefühlen und Wünschen leben, wollte über sich selbst bestimmen, aber er muss sich jetzt sein Scheitern eingestehen. Am Tiefpunkt seines Lebens begreift er, dass es möglich ist, umzukehren.  Er erinnert sich an sein Zuhause und hofft, dass er als Tagelöhner seines Vaters besser leben würde als jetzt und entscheidet sich für den Weg zurück.
Und der Vater? Er ist voller Freude, läuft seinem Sohn entgegen, umarmt und küsst ihn und zeigt ihm, dass Umkehr möglich ist. Er gibt ihm die Chance zum Neuanfang, weil er ihn liebt und will, dass er im eigenen Leben ankommt.
Für Jesus ist dieses Verhalten des Vaters ein Bild für die Güte Gottes. Er zeigt damit, was es heißt, wieder lebendig zu werden:
Dieser, mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden.
Und die scheinbar Verlorenen unserer Tage? Kommen auch sie irgendwann  im eigenen Leben an? Die im Studium oder Beruf Gescheiterten, die Verzweifelten, die Süchtigen oder Ausgeflippten. Die Geschichte vom wiedergefundenen Sohn gibt allen Gescheiterten  unserer Tage Hoffnung. Vielleicht treffen auch Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, auf solche „Verlorenen“, denen sie etwas Gutes tun, damit auch sie im eigenen Leben ankommen können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20705
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