SWR2 Wort zum Tag

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Orte der Gastfreundschaft am Ende des Lebens

„Nicht durch die Hand eines Menschen sterben, sondern an der Hand eines Menschen!“ – diesen Satz habe ich unlängst von einer Ärztin gehört. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Sterbende zu begleiten. Sterben ist für sie ein Teil des Lebens. Damit Sterbende das auch spüren, dürfen sie auf dieser letzten Etappe ihres Lebens nicht allein sein.
Hospize sind Orte, an denen das möglich ist. Heute ist der Deutsche Hospiztag. Es gibt ihn erst seit 15 Jahren. Die Erkenntnis, dass es ein Bedürfnis nach Orten eines begleiteten Sterbens gibt, ist – so scheint’s also – neueren Datums. Aber womöglich ist vieles von dem, was unsere Vorfahren schon gewusst haben über die ars moriendi, die Kunst zu sterben, über die Jahrhunderte auch nur irgendwie verloren gegangen.
Wie kann das Sterben wieder menschen- und lebensfreundlicher werden? Das Wort Hospiz bietet eine Brücke, um diese Sicht auf das Sterben wieder zurückzugewinnen. Ein Hospiz – das war einfach eine Pilgerherberge. Ein Ort, an dem Menschen unterwegs für eine Nacht Unterschlupf gefunden haben. Heute heißen die Orte, an denen Menschen auf dem Weg zum Sterben begleitet werden, Hospiz. Ein wunderbar passender Name, finde ich. Ein Hospiz, das ist ein Haus, in dem Menschen leben und wohnen - gerade dann, wenn sie nicht mehr alleine weitergehen können. Dass es solche Orte, solche Häuser gibt, ist dann ein Zeichen einer besonders intensiven Gastfreundschaft.
In der Bibel heißt es einmal: Übt gute Gastfreundschaft! Denn manche haben dabei, ohne es zu wissen, Engel zu Gast gehabt. (Hebräer 13,2) Wenn man mit Menschen spricht, die in einem Hospiz mitarbeiten, dann ist das mit den Engeln überhaupt nicht abwegig. Sie berichten von einer unglaublichen Intensität der Beziehungen, von Erfahrungen, die gewöhnliche Begegnungen in jeder Hinsicht übersteigen, von Grenzen, die ihre trennende Wirkung verlieren, auch die Grenze zwischen Leben und Tod. Sie erzählen von Sterbenden, die ihnen wirklich zu Engeln, zu Boten Gottes geworden sind. Die Erfahrung von Gastfreundschaft hört also am Ende des Lebens nicht auf. Sie findet eine besonders intensive Form. Ein Hospiz ist also auch heute, was es schon immer war: Eine Herberge für Pilger auf dem Weg. Auch auf dem Weg aus diesem Leben hinüber in ein anderes.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20696
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