SWR2 Wort zum Tag

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Die Ordensfrau Teresa von Avila ist zu Beginn des 16. Jahrhunderts geboren in einer Zeit des Umbruchs, der alle Bereiche des Lebens betraf. Die politischen und religiösen Ordnungen lösten sich auf. Die Stimme Gottes schien unhörbar geworden zu sein, und die vertrauten Worte ungeeignet, um zu ihm zu sprechen. Um sich in dieser neuen Realität zu verständigen, braucht es neue Worte, ein neues Sprechen.

In dieser Zeit gehört Teresa zu den Menschen, die besonders sensibel und schöpferisch auf den Umbruch reagierten und die Notwendigkeit spürten, ihre eigene Sprache zu finden. Sie ist mit Johannes vom Kreuz eine der herausragenden Gestalten der Mystik. Diese war im 16. Jahrhundert zunächst als „mystische Wissenschaft“ zum Gegenstand mehrerer Bücher geworden. Als Wissenschaft erfand die Mystik ein neues Sprechen.

Auf Bitten der Beichtväter, denen sie sich anvertraut, soll Teresa von dem schreiben, was sich in ihr ereignet, wenn sie zu Gott spricht. Sie will schreiben, ist aber zugleich voller Fragen, die radikaler nicht sein könnten: „Wie kann ich wissen, ob ich genau da bin, wo du – Gott - mich haben willst. Und ob es genau das ist, was du von mir willst?“ Ihr Nichtwissen verstört sie: „Ich weiß nicht, was ich sage, noch auch, wo ich bin.“  Teresa kann Gott nur bitten, durch sie zu sprechen. So kommt es zu einem inneren Gespräch, und dieses innere Gespräch nennt sie „Seele“. Sie freut sich darüber, ein neues Wort gefunden zu haben, das ihr ermöglicht, von sich und zugleich von viel mehr als sich zu sprechen.

Sie sagt: „Ich finde nichts, womit ich die gewaltige Schönheit einer Seele und ihre riesige Fassungskraft vergleichen könnte. … Wie scharf unser Verstand auch sein mag, so dürfte er doch kaum ausreichen, die Seele zu begreifen, genauso wenig wie er ausreicht, um sich Gott auszudenken.“ Dieses Ringen macht Teresa zu einer modernen Heiligen: das Ringen darum, von sich selbst so zu sprechen, dass das unzugängliche Geheimnis dieses Ich geachtet wird. Sie ermuntert Menschen heute dazu, ihrem inneren Fragen und Suchen Raum zu geben.

Es geht nicht darum, für überlieferte Inhalte neue Worte zu finden, sie neu zu übersetzen, sondern darum, für das eigene tastende Bemühen, für die persönliche Suche nach Gott, die eigene Sprache zu finden. Wo das geschieht, werden Menschen voll Staunen feststellen, dass sie sich auch untereinander neu verständigen können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20658
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