Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Schon als Kind faszinierten Christoph die Berge. Und als Jugendlicher war es sein Traum, einmal auf die höchsten Berge im Himalaya zu steigen. Für diesen Traum waren Christoph und einige Freunde bereit, 10.000 Euro und ein halbes Jahr Urlaub zu investieren. Nun war es endlich soweit. Schon seit Monaten lebte die Gruppe im Tibet auf einer Höhe von 5000 m, um sich zu akklimatisieren. Endlich begann der Aufstieg zum Gipfel. Als sie auf über 7000 m Höhe angelangt waren, gab es eine unvorhergesehene Begegnung: Im Schnee lag ein Mann, ein Chinese, der höhenkrank war und sich nicht mehr aus eigener Kraft fortbewegen konnte. Was tun? In der Gruppe ging es hin und her. Die meisten in der Gruppe wollten den Mann liegen lassen, denn sonst wäre die Gipfelbesteigung nicht möglich gewesen. Auch Christoph war hin und her gerissen. Es war die schwierigste Entscheidung seines Lebens. Sollte er den Mann hilflos liegen lassen, um die Chance seines Lebens nicht zu verpassen? Oder sollte er den Mann nach unten bringen, und auf seinen Kindheitstraum verzichten? Auf einmal war ihm klar: in dieser Situation konnte er einfach nicht auf den Gipfel steigen. Mit einem Freund führte er den halbtoten Mann, den er in seinem Leben vorher noch nie gesehen hatte, in einem Schlitten hinunter in das Basislager. Die anderen stiegen währenddessen weiter zum Gipfel hinauf. Bis heute weiß Christoph nicht, ob er dem Mann das Leben gerettet hat. Aber er hält seine damalige Entscheidung auch heute noch für richtig. Und das, obwohl er in diesem Moment seinen Kindheitstraum über Bord warf. Aber er hatte in der lebensfeindlichen Welt von 7000 m Höhe angesichts eines hilflosen Menschen Mitgefühl und Menschlichkeit gezeigt. Dass er trotz der Verlockung einer Gipfelbesteigung sich von der Not eines anderen hatte anrühren lassen, wurde zu seinem ganz persönlichen Gipfelerlebnis.

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