Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Jedes Jahr im Herbst liebe ich es, die Wohnung zu schmücken. Mein Mann rollt schon mal mit den Augen, wenn er sieht, wie ich mit Stöckchen,  Moos und  Zierkürbissen ankomme. Und die Fensterbank dekoriere. Aber wenn dann draußen der Wind die welken Blätter vor sich hertreibt, dann findet er das doch ganz schön und gemütlich. Eine Wohnung, habe ich mal gelesen, ist sowas wie eine „Schutzhülle für die Seele“.
Deshalb erstaunt es mich immer wieder, dass Jesus drauf verzichtet hat. Ganz bewusst. Er hat keine eigene Wohnung gehabt, hat mal hier mal da bei Freunden gelebt. Am längsten im Haus seines Jüngers Petrus. Das lag ganz nah am See Genezareth und hat sehr kleine Zimmer gehabt. Vielleicht zwei mal drei Meter. Eins davon hat Jesus bewohnt. Das Haus hat er auch deshalb gewählt, weil er von dort schnell mit dem Boot ans andere Ufer des Sees rudern konnte. Dort war nämlich Ausland und er war vor den Soldaten des Königs Herodes in Sicherheit.
„Füchse haben Höhlen, aber der Menschensohn hat nichts dergleichen,“ hat er gesagt. Jesus, der Menschensohn. Gemütlichkeit war seins nicht und vielleicht hätte er auch die Augen gerollt wegen meiner Zierkürbisse und Stöckchen und Kerzen.
Daran muss ich denken, wenn mir Menschen begegnen, die draußen leben müssen. Wo der Wind die welken Blätter vor sich hertreibt, draußen auf der Flucht vor Soldaten, ohne ausreichenden Schutz für Leib und Seele. Überall dort sehe ich unter den Menschen auch Jesus. Und höre seine Worte: „Was ihr einem von diesen Menschen getan habt, das habt ihr mir getan.“
Ich verstehe das so: Wo immer wir unsere Gemütlichkeit verlassen um der Menschen willen, die Schutz brauchen, da ist Gott mitten unter uns. Deshalb haben wir nicht nur mit Problemen zu rechnen, wir können uns auch auf Wunder gefasst machen. Und um nichts anderes geht es, wenn wir unsere Gemütlichkeit verlassen. Dass wir Wunder erleben. Dass zum Beispiel von wenig Brot viele satt werden. Dass jemand gesund wird, wieder lachen kann- und wir dürfen daran Anteil haben. Ja, man kann es sich auch gemütlich machen mitten in der Menschenfreundlichkeit Gottes.
Und der begegnet man auch draußen, wo der Wind die welken Blätter vor sich hertreibt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20624
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