SWR2 Wort zum Tag

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Was ist stärker als das Band, das zwei Menschen aus freien Stücken miteinander knüpfen! Traditionellerweise wird die Beziehung zwischen Mann und Frau als eben dieses Band verstanden. In einer Institution wie der Ehe hat sie eine rechtswirksame Form gefunden. Doch es gibt auch andere feste Bindungen – ohne derlei rechtlich festgefügten Rahmen.
Die Bibel erzählt im Alten Testament von der Beziehung zweier Frauen, die einander in Vertrauen und Solidarität verbunden sind und so ein schweres Lebensschicksal meistern: Naomi und Rut. Naomi, eine Israelitin, kam mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen aus wirtschaftlichen Gründen ins Nachbarland Moab. Die Familie suchte sich dort eine neue Lebensgrundlage. Die Söhne heirateten moabitische Frauen. Doch das Schicksal der Naomi wendete sich. Sie verlor auf tragische Weise zuerst ihren Mann und danach auch ihre beiden Söhne.
Alt und bitter geworden möchte Naomi in ihre ehemalige Heimat zurück. Sie entlässt ihre beiden Schwiegertöchter. „Ihr seid noch jung, ich aber bin eine alte Frau“, sagt sie. „Was wollt ihr bei mir? Sucht euch neue Männer. Gründet neue Familien – und lasst mich gehen.“
Die eine der beiden Schwiegertöchter folgt dem Rat Naomis und geht. Die andere bleibt: Rut. „Ich werde nicht von deiner Seite weichen“, sagt Rut Naomi zu. „Wo du hin gehst, da will ich auch hin gehen, und wo du bleibst, da bleibe ich auch. … Nur der Tod wird dich und mich scheiden.“
Das klingt bekannt. Mit solchen Worten geloben Menschen in kirchlichen Traugottesdiensten einander die Treue, und manche Ehe steht eben unter diesen Worten Ruts als Trauspruch. Aber ursprünglich sind es Worte, die eine Frau zu einer anderen sagt. Ursprünglich ist es ein Ausdruck von Frauensolidarität. Eine Gemeinschaft, die beide dringend brauchen: Zunächst ist es Naomi, die die Hilfe Ruts benötigt. Allein hätte sie es wahrscheinlich nicht geschafft, in ihre Heimat zurückzukehren. Dort angekommen benötigt wiederum Rut die Zuwendung Naomis, andernfalls wäre sie eine mittellose und rechtlose Fremde geblieben.
Die Bibel erzählt von dieser festen und durch nichts zu erschütternden Beziehung zweier Frauen. Sie schildert, wie die beiden in Solidarität, Treue und Verlässlichkeit zueinander ein Leben voller Entbehrungen meistern, und sie ermutigt dazu, menschliche Bande zu knüpfen und ihnen zu trauen. Denn es gibt wohl nichts, was so stark ist, wie dies.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20619
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