SWR2 Wort zum Tag

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Flüchtlinge, Flüchtlinge, Flüchtlinge – zurzeit haben Nachrichten und Zeitungen kaum ein anderes Thema. Das kann man beklagen. Man kann es aber auch so sehen: Weltweit sind Millionen Menschen auf der Flucht, seit Jahrzehnten – und endlich sind ihre Schicksale auch bei uns in Mitteleuropa angekommen. Weil die Menschen selbst nun hier bei uns ankommen.
Flucht und Migration – das ist ein uraltes, ja konstantes Thema der Menschheitsgeschichte. Erstaunlich viel weiß auch die Bibel hierzu zu sagen – zum Beispiel die alttestamentliche Erzählung der beiden Frauen Naomi und Rut.
Naomi ist eine Israelitin, die mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in ein fremdes Land mit Namen Moab zieht. Der Grund: eine Hungersnot infolge mehrjähriger Dürrezeiten. Für Kleinbauern ging da jede Lebensgrundlage verloren.
Das Leben in der Fremde bietet zunächst neue Perspektiven: Ackerland kann gepachtet werden. Die Söhne wachsen auf und heiraten moabitische Frauen. Doch dann stirbt der Mann – und später auch die beiden Söhne. Möglicherweise sind sie in einem Feldzug gefallen.
Naomi fragt sich, was sie in der Fremde noch soll, und entschließt sich, in ihre alte Heimat zurückzukehren. Eine ihrer beiden Schwiegertöchter, Rut, geht mit ihr. Die jüngere Rut bietet sich der älteren Naomi als Hilfe an. Sie ist bereit, ihre Heimat aufzugeben und zieht nun ihrerseits mit Naomi in die Fremde.
Eine berührende Geschichte. Mich berührt darin eine einfache und selbstverständliche Menschlichkeit, die keine Grenzen kennt: Rut bietet Naomi ihre Fürsorge im Alter an, folgt ihr in ein für sie selbst fremdes Land und verzichtet dafür auf eine Lebensperspektive in der eigenen Heimat. Später, als die beiden Frauen in Naomis Heimat leben, ist Rut die Fremde, der geholfen wird. Ein Verwandter Naomis beschenkt die verarmten Frauen mit Erntegaben und sagt zu Rut: „Einst hast du Naomi, deiner Schwiegermutter, beigestanden, als sie in der Fremde war und bist sogar mit ihr in ein Land gezogen, dass du nicht kanntest. Du bist freiwillig eine Fremde geworden, um ihretwillen. Nun helfe ich dir.“
Gleich zweimal reichen in dieser Geschichte Gesten der Menschlichkeit über die Grenzen von Nationen, Kulturen und Religionen hinweg. Es wird schlicht das getan, was notwendig ist. Das beeindruckt mich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20618
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