SWR3 Gedanken

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Dass jetzt meine beiden Kinder in die Schule gehen, hat auch mit Martin Luther zu tun. Und mit der Reformation. So ist das mit Religion und Geschichte, sie prägt mich bis in mein Privatleben hinein.
Denn Luther war es wichtig, dass die Menschen Lesen und Schreiben lernen. Und schon 1524 schrieb er an die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, dass sie „christliche Schulen aufrichten und halten sollen.“ Später haben die Landesfürsten daraus die allgemeine Schulpflicht gemacht.
Luther dachte bei seiner Bildungsoffensive aber nicht zuerst ans Bibel lesen und auswendig lernen. Er wollte vor allem, dass jeder und jede sich seine eigene Meinung bilden kann. Dass man fähig ist, ein Thema zu verstehen und zu beurteilen. Deshalb sollten Jungen und Mädchen in die Schule gehen.
Und weil Lernen eine lebenslange Aufgabe ist, die auch im Erwachsenenalter nicht aufhört, haben die Nachfolger von Luther immer wieder Bildungseinrichtungen gegründet. Der dänische Pfarrer Severin Grundvig hat die Volkshochschule erfunden und heute vor 70 Jahren wurde die erste Bildungsakademie in Bad Boll gegründet.
Auch da ging es um Bildung und nicht nur ums Studium der Bibel. In Bad Boll kam es zum Beispiel 1968 zu einer legendären Diskussion zwischen dem Studentenführer Rudi Dutschke und dem Philosophen Ernst Bloch. Um Religion ging es da nicht, sondern darum, dass in dieser aufgeheizten Situation der Studentenproteste miteinander gesprochen wurde.
Bildung ist eben nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen lernen. Bildung ist: wenn sich etwas im Menschen bildet. Eine Meinung oder eine Haltung, eine Nachdenklichkeit.
Ich bin froh, dass wir ein funktionierendes Schul- und Bildungssystem in Deutschland haben, auch wenn es immer wieder etwas zu verbessern gibt. Und ich bin dankbar, dass meine Kinder und ich und wir alle lebenslang lernen dürfen und können.

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