SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Hat der Dialog zwischen Christen und Muslimen noch eine Chance? Diese Frage stellt sich mir derzeit sehr bedrängend. Um es vorweg zu sagen: Ich trete entschieden für den Dialog zwischen den Religionen ein, also auch zwischen Christen und Muslimen. Es gibt keinen anderen Weg zum Frieden. Wir müssen uns bemühen, uns über die Grenzen der Religionen und Kulturen hinweg zu verstehen und wertzuschätzen. 

Ich weiß, wie umstritten diese Überzeugung derzeit ist. Vor allem das Gespräch zwischen dem Christentum und dem Islam ist in eine schwere Krise geraten. Das sehe ich mit großer Sorge. Fanatiker und Terroristen fügen anderen, auch Christen, unsägliches Leid zu – im Namen dessen, was sie für den Islam halten. In Staaten, die sich als Hüter des Islam ausgeben, werden Menschenrechte mit Füßen getreten. Und das alles spielt sich tagtäglich vor unseren  Augen ab. Viele hierbei uns stehen dem Islam und den Muslimen immer schon ablehnend gegenüber. Sie sehen sich jetzt bestätigt. Das bekommen auch muslimische Flüchtlinge zu spüren, die sich selbst vor dem Terror retten müssen. 

Mich beunruhigen aber auch Fragen, die christliche Flüchtlinge aus dem Irak oder aus Syrien stellen. Warum ist euch Christen hier die Begegnung mit den Muslimen so wichtig?, fragen sie. Und vor allem: Warum helft ihr als Kirchen muslimischen Flüchtlingen und tut nicht alles Menschenmögliche für die Christen, die irgendwo in den Flüchtlingscamps in Jordanien oder dem Libanon ausharren müssen – ohne irgendeine Zukunftsperspektive. Warum können sie nicht zu uns nach Deutschland kommen? 

Das sagen mir Menschen, die ich gut kenne und sehr schätze. Ich kann sie sogar verstehen, wenn ich höre, was sie alles erlitten haben. Wie sollen diese Menschen das Leid vergessen, das ihnen andere Menschen mit dem Namen Allahs auf den Lippen angetan haben?

Und doch – ich wiederhole es und sage es auch meinen Freunden: Wenn es einen Weg zu mehr Frieden gibt, dann ist er nicht ohne das geduldige Gespräch über die Werte der Menschlichkeit möglich, die uns über die Religionen hinweg verbinden. Es sind gemeinsame Werte, die wir nicht von Fanatikern vernichten lassen dürfen, die ihre Barbarei mit der Religion rechtfertigen. Der Weg des Dialogs ist wieder weiter und mühsamer geworden, als er schon einmal war. Sicher. Aber wir müssen ihn gehen – gerade jetzt. Und ich hoffe, dass wir irgendwann auch Menschen auf diesem Weg mitnehmen können, die jetzt noch am Rande stehen und den Kopf schütteln.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20570
weiterlesen...