SWR2 Wort zum Tag

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„Helfen Sie uns! Unsere Heimat ist zerstört. Dort wartet nur der Tod auf uns.“ Der alte Mann weint und fleht mit gefalteten Händen. Es ist eine der erschütternden Begegnungen während der Reise nach Jordanien, auf der ich kürzlich den Rottenburger Bischof Gebhard Fürst begleitet habe. Wir haben den Greis in einem Containerdorf der jordanischen Caritas in Madaba getroffen. Das liegt nahe der Hauptstadt Amman. Dort leben Christen aus Mossul im Nordirak. Im Sommer 2014 sind sie dort vor dem Terror des IS geflohen, zunächst in die christlichen Dörfer in der Ninive-Ebene, von dort in die Kurdenhauptstadt Erbil und dann  schließlich hierher nach Jordanien. 

Rund eine halbe Million Flüchtlinge aus dem Irak leben derzeit in Jordanien, gerade einmal 50.000 von ihnen sind registriert. Nur wenn sie das sind, kann man sie mit dem Nötigsten versorgen. Aber erst durch die Begegnung von Mensch zu Mensch bekommen diese Zahlen ein Gesicht, werden sie uns als persönliche Schicksale einzelner Menschen bewusst. Da ist der junge Mann, der noch vor einem Jahr Pharmazie studiert hat und jetzt staatenlos und ohne Zukunft ist. Da ist der Arzt, der mit seiner Frau und seinen vier Kindern im Container lebt und untätig herumsitzen muss. Zu arbeiten ist den Flüchtlingen verboten, manche verdingen sich zu Dumpinglöhnen für einen illegalen Job. Was sie verdienen, reicht hinten und vorne nicht. Der Arzt ist froh, dass seine Kinder wenigstens die Schule besuchen können. Nicht alle haben dieses Glück. In Jordanien gibt es für 200.000 Flüchtlingskinder keinen Schulplatz. 

Die Caritas Jordanien ist die einzige Institution, die den christlichen Flüchtlingen aus dem Irak hilft – unterstützt von ihren Partnern in Deutschland und den USA. Sie versorgt sie mit Kleidern und Verpflegung und einem Dach über dem Kopf. Ihre Ärzte behandeln die Kranken. Den zum Teil schwer traumatisierten Menschen werden Therapien angeboten. „Sie haben alles verloren, also brauchen sie auch alles“, sagt Caritasdirektor Wael Suleiman.

Aber ihre größte Sehnsucht lässt sich nicht stillen: ein normales Leben, sicher und frei, ein Leben unter menschenwürdigen Bedingungen. Auf eine Rückkehr dorthin, wo es das alles einmal gab, hofft hier niemand mehr. Ihre Hoffnung richtet sich auf Europa, auf Deutschland, wo wir herkommen, um sie zu besuchen. Und wir werden auch wieder dahin zurückkehren, während sie dort bleiben müssen. Sie können nicht verstehen, dass dieser Weg für sie verschlossen ist. Sie sind enttäuscht, und das richtet sich auch gegen uns, das spüren wir deutlich. Unser Verständnis ändert ihre Lage nicht. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit nehmen wir mit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20568
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