Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Es wird Herbst. Zuerst werden die Blätter bunt, dann wird es kalt und grau. Die Tage werden kürzer, die Abende länger. Da ist es doch gemütlich, sich abends mit einem schönen Buch zu vergnügen.
Meine Buchempfehlung für alle, die im September noch etwas zu lesen suchen, ist das „September-Testament“:
So heißt das Buch, weil es im September veröffentlicht wurde.
Es ist kein Krimi und keine Gedicht-Sammlung, sondern Martin Luthers erste Übersetzung des zweiten Teils der Bibel, des neuen Testaments.
Luther hatte dieses Werk in seinem Versteck auf der Wartburg geschrieben. In nur neun Monaten war alles fertig – unglaublich schnell.
Die Erstauflage betrug damals vor 500 Jahren sagenhafte 3000 Exemplare. Das entspricht einer Millionen-Auflage heute. Auch der Preis war damals sagenhaft: anderthalb Gulden Goldstücke – ein Heidengeld. Dafür musste ein Knecht ein Jahr lang arbeiten. Aber den Menschen damals war es das wert. Sie wollten keine Heiden sein.
Denn schließlich kommt der Name Testament ja nicht von ungefähr:
es gibt etwas, das der nächsten Generation weiter gegeben werden soll.  Die Botschaft von Gottes Liebe. Dass er uns liebt, uns beisteht, tröstet, aufrichtet.
Eigentlich geht es immer wieder nur um diese eine Botschaft. Nur in verschiedenen Geschichten und Worten und an die verschiedensten Menschen gerichtet.
Und in Martin Luthers kräftiger Sprache ist diese Botschaft erst recht ein Genuss und Leseschmaus.
Mit der Bibelübersetzung ins Deutsche hat Luther zugleich unsere Sprache geprägt.
Ganz abgesehen davon, dass die Bibel kein „Buch mit sieben Siegeln“ bleibt – so ein Ausdruck von ihm. Wer sich mit der Bibel und mit Gottes Wort beschäftigt, hat sein Leben nicht „auf Sand gebaut“, auch ein Spruch von ihm.
Und Luther war fest überzeugt: diesen Text, den vor ihm die Gelehrten unter Verschluss gehalten haben, den kann jeder lesen und verstehen. Da wirft man keine Perlen vor die Säue - noch eine Redewendung von Luther.
Ich finde: so ein Testament sollte man nicht ausschlagen.
Und auch wenn dieses Testament heute viel weniger kostet als vor fünfhundert Jahren:
es ist viel mehr wert als anderthalb Goldstücke. Es ist mit Gold nicht aufzuwiegen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20556
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