SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Immer wieder höre ich Leute sagen: „Was die Katholiken mit ihrer Maria haben? Ich kann mit Maria nichts anfangen.“

Mir gibt das immer einen leichten Stich, denn mir bedeutet Maria schon etwas. Vielleicht anders als viele denken. Für mich steht Maria für die weibliche Seite Gottes. Sie fühlt mit den Leidenden und liebt ohne Bedingungen. Wir Christen haben diese weibliche Seite oft ausgeklammert und männliche Eigenschaften betont: Gott als Schöpfer oder als Richter. Damit klingen auch Aspekte der Männer-Rolle an, die mir gar nicht gefallen. Zum Beispiel die Vorstellung von einem Gott, den ich mit blutigen Opfern beeinflussen kann, oder für dessen Wahrheit ich kämpfen muss. Nicht nur mit Worten. Für mich muss Gott eben auch weibliche Züge haben, wie ich sie bei Maria sehe.

Viele finden es vielleicht überzogen, aber ich finde es deshalb gar nicht so schlecht, wenn Maria auf Bildern und in manchen Liedern dargestellt wird wie eine große Urmutter. Eine Mutter für alle Menschen, die sich nach Geborgenheit und Barmherzigkeit sehnen. Wenn ich zum Beispiel sehe, wie Maria in Spanien beinahe mehr Aufmerksamkeit bekommt als Jesus, ist das für mich nur noch auf den ersten Blick befremdlich. Denn es zeigt auch, dass viele Menschen sich nach so einer Urmutter sehnen.

Mit Maria verbinde ich aber noch mehr: Die ursprüngliche Maria, also die Frau, die als Mutter Jesu gelebt hat, ist ja vermutlich anders gewesen. Die Bibel beschreibt sie als junges Mädchen, das sich auf Gott einlässt. Und er verspricht ihr einen Sohn. Aber anders als ich bei einem göttlichen Kind erwarten würde, hat dieser Sohn ja keinen großen Erfolg im Leben: Er scheitert mit seinen Plänen und wird hingerichtet. Aber sie, die Mutter, hält zu ihm. Ihr ist scheinbar egal, was die anderen denken. Sie steht ihm bei. Diesen Mut finde ich bemerkenswert. So möchte ich auch gerne mutig zu denen stehen, die gescheitert sind. Ihr Leben verläuft eben nicht nach Plan oder sie leben nicht so, wie die Gesellschaft es von ihnen erwartet. Maria steht auf der Seite der Außenseiter. Das fordert mich heraus, dass ich mir überlege, wie ich ihnen auch beistehen und helfen kann. Vermutlich kann ich nichts Großes bewegen. Aber es gibt bestimmt einen Weg, wie ich einem Flüchtling oder Obdachlosen in meiner Stadt zeigen kann: Ich stehe auf Deiner Seite. Wie Maria.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20545
weiterlesen...