SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Traue nicht dem Ort, an dem kein Unkraut wächst!“, auf diesem Satz bin ich in einer Gärtnerei gestoßen. Ja, da ist was dran. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass nur das gut ist, was unkontrolliert vor sich hinwächst. Dazu habe ich mich schon zu oft mit dem Unkrautjäten geplagt. Ein Garten will gepflegt sein und dazu gehört aber auch Platz für die schönen und fruchtbringenden Pflanzen zu schaffen. Aber wenn ein Garten wiederum schnurgerade und klinisch rein dasteht, wenn aller Wildwuchs getilgt wird und jedes Hälmchen in Reih und Glied steht, dann riecht das sehr nach Chemie und allzu strengem Ordnungssinn. Und das ist nicht nur für das Unkraut schlecht, sondern auch für den ganzen Garten. Wie auch im sonstigen Leben außerhalb des Gartenzauns. Wenn das, was wild wächst oder widerborstig ist, nicht gern gesehen oder gar getilgt werden soll. Wenn das, was anders ist keinen Platz haben soll, dann wird es schlimm. In der Erziehung, in der Beziehung, und bei mir selbst. Wenn ein Kind wilder ist als andere, es nicht gleich zähmen wollen. Vielleicht braucht es einfach nur mehr Bewegung  und ist danach völlig entspannt und glücklich. Die Marotten meines Mannes nicht ausrotten wollen, auch wenn sie nerven. Er ist doch viel mehr als seine Marotten. Und die Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, die nicht gut riechen, nicht gut aussehen, nicht als menschliches Unkraut sehen, das den Blick auf unsere glänzend sauberen deutschen Städte stört. Und wenn ich schließlich das, was bei mir selbst wild wächst oder widerborstig ist, ausreißen möchte, dann besteht die Gefahr, dass ich auch andere so behandle. Aber wer bei sich oder anderen Dinge ausreißen möchte, der richtet Schaden an - bei sich oder bei anderen.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20540
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