Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Es ist ein ganz besonderes Kreuz, das diese Woche in Limburg verehrt wird: Ein Kreuz, zusammengebastelt aus Holztrümmern von Flüchtlingsbooten. Vor der italienischen Insel Lampedusa sind diese Flüchtlingsboote gestrandet oder gekentert. Und der Schreiner Francesco Tuccio hatte die Idee: Er will aus ihren Trümmern ein Kreuz bauen. Er sagt dazu: „Die Motivation ist aus dem Leiden geboren, das ich in diesen erloschenen und müden Augen gesehen habe, in denen gleichzeitig ein Hoffnungsschimmer liegt.“ Tuccio möchte mit seinem Kreuz auf alle Flüchtlinge aufmerksam machen, auf diejenigen, die ankommen, und auch auf diejenigen, die es nicht ans rettende Land geschafft haben.

Mich hat diese Geschichte vom Kreuz aus Lampedusa berührt. Und sie bringt mir das Fest näher, das heute in der katholischen Kirche begangen wird: Kreuzerhöhung. Im Mittelpunkt steht dabei das Kreuz, an dem Jesus gelitten hat und gestorben ist. Mit diesem Kreuz aber haben ja viele so ihre Schwierigkeiten. Auch ich denke manchmal: Warum muss unser wichtigstes christliches Symbol ausgerechnet solch ein schreckliches Mordinstrument sein? Das Kreuz aus Lampedusa macht mir aber auch wieder klar, was in diesem Symbol steckt. In Jesus Christus hat Gott selbst gelitten. Er hat sich uns gleich gemacht, auch im Leiden. Er kennt Angst und Schmerz und sogar Todesangst. Und: Er ist mit allen Menschen solidarisch, die heute leiden müssen, die Angst und Schmerz und Todesangst erfahren.

In diesen Wochen sind das natürlich auch besonders die Menschen, die aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak zu uns fliehen, aus furchtbarem Krieg und Terror. Das Kreuz aus Lampedusa stellt eine Verbindung her zwischen dem Leiden Jesu und dem Leiden der Flüchtlinge. Und natürlich: Es will uns auch dazu bringen, etwas zu tun gegen dieses Leiden. Uns, also alle Menschen guten Willens und erst recht die Christen. Ich kann nicht das Kreuz Jesu verehren – und gefühllos bleiben gegenüber den Flüchtlingen und ihrer Not. Papst Franziskus hat bei seinem Besuch auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa vor zwei Jahren von einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ gesprochen und mit Leidenschaft dazu aufgerufen, weniger gleichgültig zu sein gegenüber Flüchtlingen.

Das Kreuz Jesu will die Gleichgültigkeit wegnehmen. Und stattdessen Mitleid und Mitgefühl wecken für alle Menschen, die leiden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20521
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