SWR2 Wort zum Tag

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und der Apostel Paulus 

„Das Gute, das ich will, tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will.“ Der das von sich sagt, ist weder Bankräuber noch Steuerhinterzieher, sondern Paulus, der Apostel. Nachzulesen in der Bibel. Paulus behauptet von sich: „Ich will das Böse nicht tun, aber ich tue es trotzdem. Mein guter Wille ist machtlos.“
Jeder, der sich beim Tratschen erwischt, obwohl er eigentlich versprochen hat, zu schweigen. Jede, die ihr Kind schlägt, obwohl sie ein solches Verhalten widerwärtig findet. Jeder, der seine Freundin betrügt, obwohl sein Gewissen dabei schwarz wie die Nacht ist,  kennt das. „Ich will das nicht tun – und ich tue es trotzdem.“  Es sieht so aus, als wenn in den meisten von uns zwei Personen stecken, quasi „Dr. Jeckyll und Mr. Hyde“.
Robert Louis Stevenson hat diese fantastische Geschichte geschrieben: Dr. Jeckyll ein angesehener Arzt, kann sich nicht damit abfinden, dass es im Menschen „diese absolute, unergründliche Zwiespältigkeit“ zwischen Gut und Böse gibt. Darum entwickelt Dr. Jeckyll als Arzt den Plan, durch eine Droge beide Naturen in sich zu trennen, und sie in zwei voneinander unabhängigen Personen zu verkörpern: den guten Dr. Jeckyll, den radikal bösen Mr. Hyde. Das Experiment gelingt. Als Mr Hyde geht er skrupellos seinen Neigungen nach und schreckt nicht einmal vor Mord zurück. Wenn die Wirkung der Droge aber nachlässt, verwandelt er sich wieder in den reinen, guten Dr. Jeckyll. Nach einer Weile aber muss er erkennen, dass er das Experiment nicht mehr in der Hand hat. Immer öfter verwandelt er sich in den bösen Mr. Hyde. Bis einer seiner Freunde das Geheimnis entdeckt. Als der gute Dr. Jeckyll  kann er nicht mehr leben, als der böse Mr. Hyde will er nicht mehr leben. Er findet Erlösung von diesem Dilemma im Tod.
Die Erfahrung, dass Kopf und Herz verurteilen, was wir tun – und wir es trotzdem tun: Das ist und bleibt irritierend. Paulus war so ehrlich, sich das einzugestehen: „Das Gute, das ich will, tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will.“ Mehr noch: er akzeptiert, dass das zu seinem Menschsein dazugehört. Genauso wie das Bemühen, das Böse mit Gutem zu überwinden. Eine Lösung sieht er für dieses Problem nicht. Nur eine Hoffnung: Dass Gottes Liebe selbst diesen gespaltenen gut-bösen Menschen gilt.

 

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20510
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