SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Manchmal trifft man einen Menschen, redet und redet und am Ende hat man das Gefühl aneinander vorbeigeredet zu haben. Das ist schon manchmal ärgerlich. Besonders, wenn man dann merkt, da bin ich missverstanden worden. Unser Gespräch hat etwas ausgelöst, das ich gerade so nicht gewollt habe. Vielleicht haben Sie das auch schon erlebt, privat oder im Beruf.

Dafür gibt es ein Wort, das nicht im Duden steht, aber ich finde es sehr treffend. „vergegnet“ – heißt es. Der Religionsphilosoph Martin Buber hat dieses Wort erfunden und es soll ausdrücken, dass Menschen in einem Gespräch nicht zu einander gefunden haben, sich gedanklich nicht wirklich begegnet sind. Sondern einander „vergegnet“ sind.

So habe ich mich neulich nach einem langen Telefonat gefühlt: Ein guter Freund rief mich an und erzählte mir ohne Punkt und Komma von sich. Wohlgemerkt ohne sich im Geringsten dafür zu interessieren, ob es mir jetzt passt. Ich habe ja auch eine ganze Weile interessiert zugehört, aber irgendwann habe ich dann versucht, auch mal was von mir zu erzählen, aber meine Chance war sehr gering. Immer fiel ihm wieder was ein. Schade, ich hatte mich eigentlich über den Anruf gefreut und einiges im Hinterkopf, was ich gerne mit ihm besprochen hätte. Schließlich habe ich dann resigniert nur noch zugehört. 
Es gibt Situationen, da höre ich gern konzentriert zu und nehme mich zurück. Wenn ich merke, hier will mir jemand etwas anvertrauen. Hier erwartet jemand Hilfe oder ihm liegt an meiner Meinung. Dann merke ich auch, dass der andere an mir als Person interessiert ist. Das zu spüren, ist eine wichtige Voraussetzung für ein Gespräch, bei dem man sich begegnet, finde ich. Und es ist gut Fragen zu stellen, dann kann ich sicher sein, dass ich den anderen richtig verstanden habe. Damit drücke ich aus, du ich möchte das wirklich wissen.
Martin Buber meint, dass man sich die Wahrheit sagen und nichts zurückhalten soll, wenn ein Gespräch zur echten Begegnung werden soll. Man soll sich nicht anders geben als man ist und unbedingt vermeiden, irgendeinen Schein wahren zu wollen. Das sind hohe Ansprüche und ich glaube nicht, dass man immer allen gerecht werden kann.

Über das „vergegnete“ Gespräch mit dem Freund, habe ich mich geärgert, es aber dann auch bald wieder vergessen. Weil es mir dann doch nicht so wichtig gewesen ist.  So ein Gespräch  kann mich gelegentlich aber auch richtig traurig machen: Wenn mir der Mensch, mit dem ich reden wollte, sehr am Herzen liegt und das, was ich besprechen wollte. Wenn ich schon erwartet habe, dass er mich nach etwas fragt, auch das Bedürfnis hat, bestimmte Dinge mit mir zu besprechen. Dann werde ich das beim nächsten Mal sicher anklingen lassen, wenn nötig mit etwas Nachdruck. Vielleicht wird unsere nächste Begegnung dann besser, eine wirkliche Begegnung.

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