SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen“ – das hat Mahatma Gandhi gesagt. Und dieser Satz gefällt mir. Auch weil mir sehr hohe Geschwindigkeiten Angst machen. Mein Mann kennt meinen ängstlichen Blick auf den Tacho, wenn er auf einer freien Strecke mal richtig beschleunigt.  
Ich finde, alles hat seine Grenzen. Ist es wirklich wichtig immer schneller unterwegs zu sein? Welchen Nutzen hat das und vor allem für wen? Wenn zum Beispiel die Fahrzeit eines Schnellzuges von einem Ort zum anderen um einige Minuten verkürzt werden soll? Wird dafür nicht unverhältnismäßig in die Natur eingegriffen? Welchen Einfluss hat das auf unsere Umwelt? Diese Fragen beschäftigen mich. 
Leider habe ich den Eindruck, dass alles immer enger getaktet ist. Kaum jemand hat noch Geduld. Das habe ich neulich gedacht: Eine Kollegin hat geschimpft, weil ihr die Anmeldung am zentralen Drucker zu lange dauert. Da konnte ich nur mit dem Kopf schütteln. Wir standen nebeneinander und hätten in der Zeit  doch schnell ein paar nette Worte wechseln können. Hatte sie es wirklich so eilig?  Vieles bleibt auf der Strecke, wenn man meint alles ganz schnell erledigen zu müssen. Schnell und viel. Und mit den Gedanken immer schon einen Schritt voraus. Kein Wunder, dass ich nicht mehr alles wahrnehmen kann. Manches rauscht vorbei wie bei einer Fahrt mit dem ICE.

Papst Franziskus hat dazu in seinem Schreiben „Laudato si“ auch etwas gesagt. Es heißt darin sinngemäß, dass viele Menschen in sich eine tiefe Unausgeglichenheit spüren. Die bewegt sie dazu, alles in Höchstgeschwindigkeit zu erledigen. Nur damit sie sich beschäftigt fühlen. Diese ständige Hast, hindert sie daran, ihre Umwelt richtig wahrzunehmen.
Wenn technische Neuerungen einseitig betrachtet werden, es ausschließlich auf hohe Leistungsfähigkeit ankommt, bereichern sie unser Leben doch nicht wirklich. Wir müssen vielmehr darauf schauen, wie sie in der Wechselwirkung mit unserer Umwelt funktionieren. Wie kann hoher CO2 Ausstoß vermieden werden zum Beispiel. Wie können Lebensräume geschützt werden.
Franziskus gibt zu bedenken, dass wir uns mehr Zeit nehmen müssen: Nur so können wir über unseren Lebensstil und unsere Ideale nachdenken. Und überlegen, wie wir wieder besser im Einklang mit der Schöpfung leben können. Eben nicht durchs Leben hetzen und alles in immer kürzerer Zeit erledigen wollen. Sondern Tempo herausnehmen, dann kann ich bewusster leben und besser Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20464
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