SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Wissen Sie wovor ich am meisten Angst habe, Herr Pfarrer? Dass meine Krankheit so schlimm wird, dass ich nichts mehr selber entscheiden kann. Dass ich anderen zur Last falle.
Das hat mir eine ältere Dame bei einem Besuch gesagt. Sie ist Ende 70 und schon leicht dement.
In dem Moment wusste ich auch nicht, wie ich ihr die Angst hätte nehmen können. Vielleicht würde es mir an ihrer Stelle genauso gehen. Dass ich davor Angst hätte. Und Sprüche wie: „das wird schon nicht so schlimm“, sind da nicht so wirklich hilfreich.
Ich glaube niemand will gerne irgendjemandem zur Last fallen.
Bloß: Davor kann ich mich leider nicht schützen. Ich weiß ja nicht, wie das wird, wenn ich mal alt bin. Ob ich krank werde. Viele bleiben auch fit und geistig beweglich bis ins hohe Alter. Und wie oft hört man, dass ein junger Mensch einen Unfall hat. Und dann im Wachkoma liegt. Schützen kann sich davor niemand – junge nicht und ältere auch nicht.
Aber vielleicht kann ich doch zwei Dinge tun:
Das erste ist, dass ich mich um alles kümmere, so lange es mir gut geht. Vorsorge-Vollmacht, Patientenverfügung, Testament. Damit einfach klar ist. Wenn ich mal nicht mehr kann, dann ist alles geklärt. Dann kann ein anderer meine Geschäfte erledigen und meine Angehörigen wissen, wie ich behandelt werden möchte.
Das zweite ist, dass ich mir immer wieder versuche klarzumachen. Das Leben ist ein Kreislauf. Ich glaube, dass mein Leben von Gott her kommt. Dass ich mein Leben gestalten und leben kann. Und dass es am Ende wieder zu Gott zurückkehrt. Und so wie das Leben beginnt, so endet es eben manchmal auch. Wir sind am Anfang unseres Lebens absolut darauf angewiesen, dass sich jemand um uns kümmert. Ein Baby kann überhaupt gar nichts alleine machen. Das entwickelt sich dann erst im Laufe der Zeit. Und am Ende des Lebens ist es manchmal wieder genauso.
Ich gebe zu: manchmal beunruhigt mich dieser Gedanke. Dann halte ich mich daran, was ich den Kindern bei der Taufe sage:
Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei Deinem Namen gerufen, Du bist mein.
[1] Das hat Gott selbst seinen Menschen versprochen Das gilt für mein ganzes Leben. Vom Anfang bis zum Ende. Und darauf verlasse ich mich.


[1] Jesaja 43,1.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20427
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