SWR2 Wort zum Tag

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Mut und Einsatz für Menschenwürde kann ohne jegliches moralisches Pathos präsentiert werden. So wie im Film Taxi Teheran, der in diesem Jahr den Goldenen Bären gewonnen hat. Passenderweise habe ich ihn in einem Prachtbau aus alten DDR-Zeiten gesehen, im Berliner Kino Imperial auf der Karl-Marx-Allee. Zwischen die riesigen Lüsterleuchten im Kino hat jemand Diskokugeln gehängt, aber sicher erst nach dem Mauerfall 1989.
Taxi Teheran ist wirklich kein sogenannter Blockbuster. Möglicherweise könnte man den Film auch langweilig finden, wenn man sonst auf Bruce Willis oder Tom Cruise steht. In Taxi Teheran sieht man einem Taxifahrer zu, der durch die Straßen der iranischen Hauptstadt fährt und dabei Fahrgäste mitnimmt, die sich mit ihm und miteinander unterhalten. Eine Volksschullehrerin und ein Taschendieb diskutieren, ob auf Reifenklau die Todesstrafe stehen sollte - wobei der Taschendieb verblüffenderweise für die Kapitalstrafe plädiert. Eine Rechtsanwältin ist auf dem Weg zu ihrer Mandantin, die in den Hungerstreik getreten ist, weil sie keinen fairen Prozess bekommt. Die kleine Nichte des Regisseurs soll für ihre Schule einen politisch korrekten Film drehen und redet deshalb auf einen kleinen, zerlumpt gekleideten Jungen ein. Er soll einem wohlhabenden Mann das Geld zurückzugeben, das dieser verloren hat. Das könnte alles banal wirken. Aber der Taxifahrer ist der Regisseur des Films selbst: Jafar Panahi. Die Regierungsbehörde hat Panahi verboten, als Regisseur tätig zu sein. Er durfte auch nicht ausreisen, um den Goldenen Bären persönlich entgegenzunehmen. Die Anwältin spielt sich ebenfalls selbst, auch sie steht unter Berufsverbot und ist zum wiederholten Mal verhaftet worden. Alle, die in diesem Film mitspielen, gehen ein hohes Risiko ein. Und tun es doch. Weil sie, offenbar, an die Kraft der Bilder glauben. Und an die Kraft der Geschichten, die ein Film erzählen kann. Der große Reiz des Films besteht darin, dass er völlig ohne moralischen Nachdruck erzählt, stattdessen mit einem leichten Lächeln. Es ist das Lächeln, mit dem der Taxifahrer Panahi durch die Straßen Teheran fährt.
Nachdem ich den Film gesehen hatte blickte ich aus der großen Panoramascheibe des Kinos auf die Berliner Karl-Marx-Allee. Menschen liefen kreuz und quer durch den Regen. Es ist gar nicht selbstverständlich, dass wir dahin gehen können, wohin wir wollen. Es ist nicht selbstverständlich, die eigene Meinung frei sagen zu können. Es ist nicht selbstverständlich, mutig zu sein in der Diktatur. Und sehr preiswürdig, wenn man in der Lage ist, Widerstand zu leisten, noch dazu mit einem Lächeln.

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