SWR2 Wort zum Tag

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Mein Sommerurlaub steht bevor und ich freue mich so sehr darauf - ..wer tut das nicht? Aber ist es überhaupt noch möglich, in diesen Zeiten ohne schlechtes Gewissen zu verreisen? Viele von uns machen Urlaub am Mittelmeer und müssen damit rechnen, dass am Badestrand vielleicht ein Boot mit verzweifelten und erschöpften Flüchtlingen aus Nordafrika auftaucht.
Ich reise nach Kenia, einem Land in Ostafrika, in dem ich viele Freunde und Bekannte habe und das dafür bekannt ist, vielfältige Landschaften und faszinierende afrikanische Kultur zu bieten. Seit einigen Jahren gibt es dort aber auch eine terroristische Gruppe, die in ihrem Denken sehr dem sogenannten „Islamischen Staat“ oder der „Boko Haram“ in Nigeria ähnelt. Und so weiß ich jetzt schon, dass sich den vielen schönen Besuchen, die ich in Kenia machen kann und der Freude, dort zu sein, auch eine andere, dunkle Seite beimischen wird. Während ich in einem Teil des Landes die Zeit genieße, herrscht in anderen Teilen Angst vor Terror und Gewalt.

Ich denke auch an einen Bericht, den ich kürzlich über das studentische Leben in Beirut gelesen habe. Die Hauptstadt des Libanon ist auch eine Hauptstadt der Lebenskultur und des Feierns. Da werden Feste begangen, während hundert Kilometer weiter die Dschihadisten des Islamischen Staats um sich schießen. Und unter diesen sind junge Leute, die genauso bei den feiernden Studenten sein könnten, statt bei den mordenden Banden. So nahe liegt alles beieinander – so schrecklich nahe....

Der Bericht ist ein Plädoyer für „die junge starke Zivilgesellschaft“ in Beirut, „die sich ihr Recht auf ein freies, selbstbestimmtes Leben nicht nehmen lässt.“ Oder ein anderes Beispiel mitten aus Europa: Ende der 90er Jahre war ich auf einer Hochzeit im südlichen Österreich und auf der rauschenden Feier fragte jemand: „Wisst Ihr eigentlich, wie wenige Kilometer von hier der Krieg auf dem Balkan tobt?“

Im Johannesevangelium sagt Jesus, dass er gekommen ist, damit wir das Leben in Fülle haben. Bei Feiern und Freude haben, denke ich an dieses Wort vom Leben in Fülle. Ich möchte es genießen und ich möchte dennoch wach und aufmerksam bleiben für das böse, schreckliche, das anderen das Leben zur Hölle macht. Ich gestehe mir zu, zu feiern obwohl der Krieg und der Terror so nahe sind. Aber ohne Solidarität und Hilfsbereitschaft wird das tatsächlich schief und unwirklich. Feiern und Solidarität gehören zusammen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20388
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