Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Wieviel wiegt ihr Leben wohl?“ Die Frage stellt Ryan Bingham in dem Film »Up in the air«.

Bingham ist Manager, aber auch ein gefragter Redner. Für seine Vorträge braucht er nur ein Utensil: Einen kleinen Rucksack – und diese eine Frage: „Wieviel wiegt ihr Leben wohl?“ Dann bittet er sein Publikum zu einem Gedankenexperiment. Sie sollen diesen Rucksack in Gedanken mit all dem packen, was das eigene Leben ausmacht. Erst mit den kleinen Sachen, die in den Regalen liegen. Dann kommt die Kleidung dran, der Fernseher. Schließlich geht‘s um die ganz großen Dinge: Sofa, Bett, Auto, das ganze Zuhause. Egal ob 1-Zimmer-Wohnung oder freistehendes Haus. All das soll in den Rucksack rein.

„Jetzt versuchen Sie zu gehen!“ sagt Bingham. Gelächter. Ein unmögliches Unterfangen. Mit einem Auto auf dem Rücken kann ich nicht gehen. Worauf der Manager hinaus will? Er meint: Wir beschweren uns, wir hängen an so vielen Dingen, dass wir unbeweglich werden.  Binghams Rezept: Den ganze Rucksack verbrennen. Gar nichts besitzen. Und so unbeschwert gehen zu können. Das, so der Manager, ist „ein aufregender Gedanke.“

Tatsächlich ein aufregender Gedanke. Ein Gedanke, den ich auch aus der christlichen Tradition kenne. In seiner Ordensregel hält Franz von Assisi bereits im 13. Jahrhundert fest: Die Brüder sollen nichts haben, kein Haus und keine Sachen. Erlaubt sind allein zwei Ordensgewänder, ein Gürtel und Schuhe. Mehr nicht. Diese Regel ist Ausdruck einer totalen Armut. Die Ordensmitglieder sollen nichts besitzen, außer ihrem Glauben. Auch hier gilt: Wer viel hat ist unfrei, wird unbeweglich – mit den Füßen, aber auch im Kopf. Wenig besitzen dagegen macht frei.

„Wieviel wiegt ihr Leben wohl?“ Die Frage kann ich so übersetzen: Was macht mein Leben aus und ist wirklich wichtig für mich? Für Franz von Assisi war es der Glaube. Mehr brauchte er nicht. Ich gebe zu: Ich brauche mehr. Aber ich kann mich fragen lassen, was wirklich wesentlich ist – und was ich zurücklassen kann. Denn nur wenn ich wenig habe, kann ich gehen, kann ich die Richtung ändern. Kann losgehen und Neues entdecken.

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20369
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