SWR2 Wort zum Tag

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„Gott ist nicht das Gute. Er ist das Ganze. Und er ist heilig.“ Ein Satz von Thomas Mann aus seinem Roman „Josef und seine Brüder“. Ein Satz der mich immer sehr bewegt hat. Heute am 60igsten Todestag von Thomas Mann will ich gern an diesen Satz erinnern. „Gott ist nicht das Gute. Er ist das Ganze. Und er ist heilig.“ Der Kinderglaube vom „lieben Gott“ ist schnell dahin wenn man mit zunehmenden Alter die Welt realistisch wahrnimmt -in ihrer Schönheit und ihrer dunklen Seite. Passiert etwas Schreckliches, eine Naturkatastrophe, das Wüten von Terrorbanden oder ein Flugzeugabsturz sagen die einen „seht, es gibt keinen Gott“ und die anderen „wie kann Gott das zulassen“. „Warum?“, dieser verzweifelte Schrei hallt durch die ganze Menschheitsgeschichte. Mir ist er auch nicht fremd und ich habe einen Rucksack voll Fragen, die ich Gott gerne stellen würde, später, in dem Zustand den wir Himmel nennen, von dem wir so wenig wissen und soviel erhoffen. Aber das hilft mir jetzt nicht. Wenn ich am Bett eines krebskranken Jugendlichen stehe oder die Beisetzung eines verunglückten Familienvaters zu halten habe, ringe ich nach Worten, schleudere meine Wut in den Himmel, hätte auch gern Antwort auf das Warum. Aber es gibt sie nicht. Das ist auch für einen tief glaubenden Menschen oft schwer auszuhalten. Das manche deshalb Glaube und Kirche aus ihrem Leben verbannen ist mehr als traurig aber bisweilen verständlich. Es gibt aber auch das andere: „das trotz allem“! Die Zuversicht, dass trotz allem was geschieht der, den wir Gott nennen, um alles weiss und in sich alle Fragen beantwortet hat. „Er ist das Ganze“, schreibt Thomas Mann, „der all’ unser menschliches Begreifen übersteigt“, möchte ich anfügen. Zu oft steckt in unseren Gottesvorstellungen noch unbewusst das Bild des gütigen Großvaters, der alles lenkt und fügt. Gott lässt sich aber nicht in Bildern darstellen, und alle Versuche dies in der Kunst doch gewagt zu haben werden heute nachsichtig belächelt. Der allumfassende Gott, vor dem die Streitereien unter den Religionen und erst Recht das mühsame und langwierige Aufeinanderzugehen der Konfessionen wie unnötige kleine Scharmützel wirken, bleibt ein Geheimnis. So sehr ich es gerne anderes hätte, daran komme ich nicht vorbei. Aber: auch wenn sich Gott aller Begrifflichkeit, allen Vorstellungsmustern, allen Projektionen entzieht glaube ich dass es ihn gibt und er am Ende aller Zeit die Rätsel der Welt und meine eigenen enthüllt.“Gott ist nicht das Gute, er ist das Ganze. Und er ist heilig.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20346
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