SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Immer wieder begegnen mir Werbesprüche, über die ich mich ärgere. „Geiz ist geil“ gehört dazu, weil ich es überhaupt nicht geil finde, geizig zu sein. Und auch der Slogan, mit dem vor ein paar Jahren das Bundesland Baden-Württemberg auf den Plan getreten ist: „Wir können alles außer Hochdeutsch.“ Nein, das stimmt eben nicht. Auch im Musterländle kann man nicht alles. Ich kapiere schon, dass der Satz augenzwinkernd gemeint ist. Trotzdem gefällt mir seine verborgene Hochnäsigkeit ganz und gar nicht. Aussagen wie diese sind einfach nicht wahr. Und ich mag es nicht, an der Nase herum geführt zu werden. Zumal dann nicht, wenn ich dabei für eine Sache vereinnahmt werden soll. 

Immer wieder begegnet mir dann aber noch ein anderer Satz. Er lautet: „Geht nicht, gibt’s nicht!“ Dieser Satz stammt nicht von einer Firma oder einer Institution. Und er dient auch nicht für Werbezwecke, jedenfalls nicht in erster Linie. Mir scheint, als sei er zwischenzeitlich in den allgemeinen Wortschatz übergegangen, weil ihn unterschiedliche Menschen bei verschiedenen Gelegenheiten verwenden. Wenn jemand ein Ziel unbedingt erreichen will, eine sportliche Leistung oder eine Note im Examen, sagt er das. Oder in einem Unternehmen, wenn es darum geht, ein neues Produkt so hinzubekommen, wie man es sich vorgestellt hat. Ich hab den Satz sogar schon in der Kirche gehört. Als es darum ging, den richtigen Mitarbeiter für eine Stelle zu finden. Das macht ihn aber noch nicht richtig. Im Gegenteil. Die Tatsache, dass er zum allgemeinen Sprachgebrauch gehört, das macht ihn erst richtig gefährlich. Je mehr Leute ihn benützen, desto mehr verfestigt sich die Auffassung: „Ja, so ist es. Nach diesem Prinzip handeln andere, also kann ich’s auch so machen.“ Je öfter eine Behauptung wiederholt, je weniger ihr widersprochen wird, desto mehr erweckt sie den Anschein, dass sie wirklich stimmt. Schließlich sagen’s doch alle. 

Aber sie stimmt eben nicht. So bitter das sein mag. Sie ist im Grundsatz und total ... falsch. Weil es jeden Tag passiert und ungezählte Menschen es wiederholt am eigenen Leib erlebt haben: Geht nicht? Ja, das gibt’s! Und wenn ich mich noch so sehr anstrenge. Wenn ich den Himmel herunter bete, den größten Spezialisten bemühe und mein ganzes Vermögen aufbrauche. Es nützt alles nichts. Ich scheitere. Ich versage. Aber jetzt ... jetzt kommt der wichtigste Satz: Das ist nicht schlimm. Ich darf das. Ich brauche nicht zu funktionieren. Ich muss nicht jedes Ziel erreichen. In meinem Leben geht immer etwas daneben. So bin ich, weil ich Mensch bin. Allen anderen geht es genau so. Nein, es geht nicht. Ok. Damit kann ich leben. Und gut sogar.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20326
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