Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Nein, es ist nicht Fastnacht – sondern Hochsommer. Was also ist los auf dem Vorort-Bahnhof? Eine junge Frau im rosa Federkostüm mit Fledermausbrille in der kühlen Morgenluft. Und ein paar Meter daneben vier junge Mädchen, komplett schwarz und ein wenig altmodisch angezogen. Dazu königsblaue Haare, ja, wirklich, und sehr auffällig frisiert.  Es ist noch früh am Morgen! Mein Kopf ist doch klar, die Szene ist ganz wirklich. Aber doch irgendwie irritierend.

 

Ja, so reagiere ich erst einmal. Ich bin irritiert. Was ist da los? Was wollen diese ungewöhnlich gekleideten jungen Frauen an einem gewöhnlichen Tag? Das macht neugierig. Was haben sie vor? Aber ich frage nicht, und so verschwindet die rosa Federfrau später in einer anderen Richtung als die blauen Haar-Mädchen. Irgendwie ist diese morgendliche Begegnung anregend. Ich denke eine Weile drüber nach. Über junge Frauen heute. Über ihre Lust an Kleidung und Verkleidung. Sie scheuen sich oft nicht davor, sich auffällig zu kleiden. Bei manchen Anlässen gehört das Auffallen auf jeden Fall dazu: Verrückte Frisuren – warum nicht? Schrilles Outfit – ja bitte.

 

Es gab mal andere Zeiten. Meine Großmutter wurde als junges Mädchen aus der Schule weggeschickt. Sie hatte eine bunte Haarschleife getragen. Ein anständiges Mädchen trägt keine Haarschleife, hieß es. Soviel Macht hatte der Lehrer. Sie hatte keine Wahl. Ein Glück, dass diese Enge in unserem Land vorbei ist. Ein Glück, dass die meisten jungen Mädchen und Frauen sich heute ausprobieren können. Dass sie spielerisch ihr Frausein erproben können. Dass Männer ihnen nicht mehr vorschreiben, wie eine Frau zu sein hat. Und es ist auch ein Glück, dass es viele Möglichkeiten gibt, Frau zu sein.

 

Während ich so über die Entwicklung der Frauenrolle nachdenke, zieht eine aufgekratzte Mädchengruppe in Dirndlkleidern an mir vorbei. Die nächste Gruppe junger Frauen, die sich ausprobiert….

 

 

 

 

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