SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

In den Vereinigten Staaten sieht man die Dinge ja bekanntermaßen nicht so eng wie im Alten Europa. Kein Wunder also, dass dort bereits vor über sieben Jahre zum ersten Mal ein Mensch online getauft wurde. Eine junge Erwachsene namens Alyssa. Wie darf man sich das vorstellen?
Ein stinknormales Badezimmer in Georgia mit altrosa Fliesen. Alyssa sitzt in der mit Wasser gefüllten Badewanne, über Handy ist der Priester in Florida zugeschaltet, über Skype der Rest der Welt. Gute Worte werden gemacht, schließlich wird Alyssa von ihrer Stiefmutter ins Badewasser getaucht. Und ist getauft. Alle preisen Gott und den technologischen Fortschritt. Fertig.
Vermutlich könnten sich auch bei uns Menschen für die Online-Taufe erwärmen. Im heimischen Wannenbad mit Cremezusatz getauft zu werden, klingt ja auch irgendwie ganz angenehm. Von der weltweiten Youtube-Gemeinde abgesehen, hat das Ganze auch etwas sehr Intimes. Und der heilige Geist weht bekanntlich, wo er will. Unter Umständen auch im Glasfaserkabel.
Mag alles sein. Und dennoch bin und bleibe ich ein Fan der Offline-Taufe, wie sie bei uns noch immer an der Tagesordnung ist. Wer sich bei uns auf Taufe einlässt, lässt sich auf ein Ereignis ein, das eben nicht alltäglich ist. Ein besonderer Raum, eine besondere Atmosphäre für einen besonderen Menschen. Will ich das ernsthaft eintauschen gegen die Bequemlichkeit meines Badezimmers, wo noch die Zahnpastareste im Waschbecken sind?
Eine Technologie, die Distanz überwindet, hat ihre Vorteile. Aber die ganz besonderen Momente unseres Lebens vertragen eben keine Distanz. Die Nähe, die es dazu braucht, lässt sich nicht online herstellen. Die wichtigen Momente sind und bleiben Offline-Erfahrungen. Gott sei Dank.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20278
weiterlesen...