SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Es muss.“ Das ist so ein Standardspruch. Man fragt einen, wie es ihm geht. Und dann kommt diese Antwort: „Es muss.“ Eine ganze Lebensphilosophie in zwei Wörtern. Und jedes Mal spüre ich Widerstand. Wieso muss es? Ist das Leben ein Zwang, dem man nun eben mal gehorcht? Lebe ich wirklich nur, weil ich muss?
In gewisser Weise schon. Mich hat ja keiner gefragt, ob ich in dieses Leben geworfen werden will. Gerade war ich noch flüssig, dann war ich ein Mensch. Mit einem Leben. Und der klaren Aufgabe, alle Tage dieses Lebens zu bewältigen. Was auch immer dieses Leben bringt.
Es bringt nicht nur Schönes. Es bringt Keuchhusten und Bluthochdruck, Stress und Streit. Längst habe ich begriffen, dass jeder Tag seine eigene Plage hat. Muss man durch. Man muss. Es muss.
Ach was. Noch immer stehe ich jeden Morgen auf und denke „Es darf“. Manchmal soll es oder will es, aber meistens darf es. Manchmal gibt es Pflichten, die ich nicht abgeben kann. Manchmal gibt es Entwicklungen, auf die ich keinen Einfluss habe. Aber in all dem darf ich doch.
Den Tag begrüßen und den blauen Himmel sehen. Meine Tochter kitzeln, bis sie quietscht. Zusehen, wie der Hund eine Motte jagt. Sich mit anderen gemeinsam an einer Idee begeistern. Mit Freunden gemeinsam lachen. Zufrieden mit der Nase in einem Buch einschlafen.
Das Leben ist nicht ohne Schattenseiten, aber es ist und bleibt ein Geschenk. Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, würde ich deshalb gerne sagen: „Es darf.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20275
weiterlesen...