SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Eigentlich habe ich es gar nicht besonders eilig. Besuch bei Freunden, es kommt nicht auf die Minute an. Auf der Landstraße fahre ich hinter einem Mercedes älteren Baujahrs. Der Fahrer trägt einen Hut, auf der Rückbank wackelt ein Dackel. Erwartungsgemäß fährt das Fahrzeug vor mir deutlich langsamer, als die Schilder am Wegesrand vorschreiben. Typischer Sonntagsfahrer eben.
Innerhalb von Ortschaften stört mich das nicht besonders. Aber auf freier Strecke spüre ich meine Ungeduld. Sechzig Stundenkilometer. Wir könnten locker ein wenig mehr Gas geben. Überholen geht aber leider auch nicht. Und so wackelt der Dackel irgendwie spöttisch vor mir her. Mit konstant sechzig.
Es ist Sonntag. Eigentlich habe ich es nicht besonders eilig. Und da ich wegen der konstant sechzig ein wenig Muße habe, komme ich ins Nachdenken. Nichts und niemand hetzt oder treibt mich. Und dennoch habe ich das Gefühl, dass mein Leben von einem Fahrzeug mit Wackeldackel rüde ausgebremst wird.
Aber was ist eigentlich so erstrebenswert daran, möglichst schnell von A nach B zu kommen, wenn man eigentlich jede Menge Zeit hat? Auf der Strecke von A nach B blühen Lupinen am Wegesrand, leuchten gelbe Rapsfelder, drehen Windräder gemächlich ihre Flügel.
Die Strecke von A nach B hat ihren eigenen Wert, den ich gar nicht wahrnehme, wenn ich nur möglichst schnell nach B kommen will. Mag manchmal unumgänglich sein. Aber wenigstens am Sonntag auf dem Weg zu Freunden, wo es nicht auf die Minute ankommt, tut ein bisschen Entschleunigung sogar ganz gut.
Der Dackel wackelt noch immer. Ich nicke ihm zu, nehme meinen Fuß vom Gaspedal und würdige die Lupinen am Straßenrand. Auch mal schön, ein Sonntagsfahrer zu sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20273
weiterlesen...