SWR3 Gedanken

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Es begann mit einer allgemeinen Meldepflicht. „Streng vertraulich!“ stand auf dem Runderlass des Innenministeriums. Alle Hebammen, Geburtshelfer und Ärzte sollten Patientendaten weitergeben. Von Neugeborenen oder Kleinkindern mit einer Behinderung. Angeblich ging es nur um eine „Klärung wissenschaftlicher Fragen“. Tatsächlich wurde ein Tötungsprogramm vorbereitet.
Anhand der gemeldeten Daten entschied ein Ausschuss: Darf dieses Kind weiterleben – oder wird es „behandelt“, so der zynische Ausdruck der Nazis für die sofortige Ermordung.
76 Jahre ist das nun schon her. Aus einer medizinischen Meldepflicht wurde ein Mordprogramm. Und das unter der Überschrift: Euthanasie. Auf deutsch: „Guter Tod“.
Heute leben wir in einer Demokratie, und der Schutz eines jeden Menschenlebens gilt uneingeschränkt. Und doch gibt es auch bei uns eine Debatte über den „guten Tod“. Heute geht es um ein menschenwürdiges Sterben.
Aktive Sterbehilfe, Tötung auf Verlangen – alles das wird nicht nur im Bundestag kontrovers diskutiert. Der Blick zurück in die Geschichte macht für mich deutlich: Auch wenn Einzelfälle noch so überzeugend sind - eine gesellschaftliche Regelung über „gutes Sterben“ ist heikel.
Es braucht klare Sicherungslinien. Aus der Not eines Patienten, endlich sterben zu können darf unter der Hand keine Erwartung an Kranke werden: Fall uns nicht länger zur Last.
Palliativmedizin und Hospizarbeit zeigen andere Wege auf: Ein Sterben in Würde ist möglich. Ehrenamtliche Hospizhelfer begleiten Sterbende und ihre Familien. Als Pfarrer versuche ich ebenfalls, Menschen darin zu unterstützen, füreinander da zu sein. Denn genau das ist wichtig: Füreinander dazu sein. Im Leben und im Sterben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20220
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