Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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2-3 tausend Gewitter gibt es jedes Jahr bei uns. Es blitzt und donnert in jedem Sommer. In meiner Kindheit auf dem Bauernhof habe ich Gewitter immer als sehr bedrohlich erlebt. Das mag damit zusammenhängen, dass Eltern und Großeltern schlimme Erfahrungen mit Blitzeinschlag und Feuer auf dem Hof gemacht hatten und immer wieder sehr anschaulich davon erzählten.
Seitdem galt Alarmstufe ROT, wenn sich ein Gewitter überm Dorf zusammenzog. Wenn es in der Nacht war, wurden wir Kinder alle geweckt, mussten uns komplett anziehen um , falls es nötig sein sollte, so schnell wie möglich das Haus zu verlassen.
Eine Kerze wurde angezündet, falls der Strom ausfallen sollte, die Haustür stand offen und wenn es immer lauter und heftiger wurde, kam es schon ab und an auch vor, dass Vater anfing zu beten.
Irgendwann hatte ich aufgeschnappt, man könne die Nähe des Gewitters daran erkennen, wie weit man zwischen Blitz und Donner zählen konnte.
Seitdem war ich in der Familie der Experte für das  kilometer-genaue Orten des Ungestüms.
Kamen aber Blitz und Donnerschlag unmittelbar nacheinander, dann wussten alle, dass wir gerade inmitten des Epizentrums beisammen saßen.
Manchmal atmeten  alle erleichtert auf, wenn es sich zu verziehen schien, erschraken aber umso mehr , wenn es wieder zurück kam.
Und dann fielen die immer gleichen magischen Sätze, wie:
Es kommt nicht über den Donnersberg!
Es kommt schafft es nicht über den Rhein! Was so viel hieß, wie: es wird niemals mehr aufhören. Zumindest die nächste halbe Stunde nicht.
Später dann im Theologiestudium habe ich erfahren, dass ausgerechnet ein Gewitter die Geschichte von der Reformation sozusagen ins Rollen und Grollen gebracht hat.
Als nämlich der junge Martin Luther Anfang Juli 1505 auf einem Feld in der Nähe  des kleinen Dorfes Stotternheim  spazieren gegangen ist, da ist er ebenfalls in ein heftiges Gewitter geraten, suchte Schutz unter einem Baum, in den prompt der Blitz einschlug und ihn regelrecht umgehauen hat.
Und genau in dem Moment soll er das Gelübde seines Lebens abgelegt mit einem Stoßgebet zur heiligen Anna und dem Satz:
„Ich will Mönch werden!“.
Und  so trat Luther  später in das strengste Kloster Erfurts bei den  Augustinern ein. Hätte ich die Geschichte schon früher gekannt, ich hätte womöglich als kleiner Junge schon gewitterkrank am Küchentisch bei Kerzenschein und Donnerschlag voreilig beschlossen, ein Mönch zu werden. Und wenn ich ehrlich bin, mag ich Gewitter bis heute nicht. Auch nicht fernab vom Donnersberg.
Ich glaub, eben hat‘s geblitzt…

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20216
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