SWR3 Gedanken

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Ein Mann geht für seine Überzeugungen ins Feuer
Idyllisch schwappt das Wasser in gleichmäßigen Wellen ans Ufer. Hinter mir das alte Konzilsgebäude, dahinter die Altstadt. Vor mir eine Bronzestatue, die sich langsam dreht: eine Frau mit aufreizenden Brüsten, die Imperia balanciert auf der einen Hand den nackten König, auf der anderen den nackten Papst. Ich stehe am Ufer des Bodensees in Konstanz. Idyllisch, diese Kulisse. Aber vor 500 Jahren ist hier ein Mord passiert. Einer, der Geschichte gemacht hat.
Im Sommer des Jahres 1415 gab es ein wichtiges Konzil. Das Problem war: es gab drei Päpste, also gleichzeitig. Das konnte nicht gut gehen. Deshalb mussten zwei Päpste weg, am besten freiwillig. Außerdem war die Kirche zerstritten, Pfarrer, Bischöfe, Päpste waren korrupt, ganz zu schweigen von den vielen Mätressen der Priester und Kirchenmänner.
Und das alles hat einer öffentlich angeprangert: Jan Hus aus Prag. Für ihn war klar: Kirche sollte arm sein, das Evangelium verkünden, und sie sollte für die Armen da sein. Und damit die einfachen Leute mitreden können, hat Jan Hus die Bibel ins Tschechische übersetzt. Damit jeder lesen und sich seine eigene Meinung bilden kann. Das war damals gefährlich. Vielleicht war Jan Hus so eine Art Edward Snowden des Mittelalters. Er hat Geheimwissen öffentlich gemacht und damit die Macht der Oberschicht infrage gestellt.
Jan Hus ist dafür verbrannt worden. Auf eben jenem Konstanzer Konzil. Als Ketzer. Er war einer von denen, die unbeirrt die Wahrheit suchen und die nicht davor zurückschrecken, dafür durchs Feuer zu gehen. Von ihrem Mut leben wir alle - bis heute.

Lesetipp: Tania Douglas „Jan Hus, der Feuervogel von Konstanz: Historischer Roman“ 2015.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20165
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