SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Stille ist selten, Stille kann sich manchmal bedrohlich anfühlen und wer Stille sucht, ist für viele entweder ein Kauz. Oder ein Mönch.
Und zu so einem Mönch, der in aller Stille und Einsamkeit lebt, kommt eines Tages ein Besucher. „Warum um alles in der Welt willst Du Dein Leben in der Stille leben? Was für einen Sinn soll das haben?“
Der Mönch schöpft gerade Wasser aus einem tiefen Brunnen. Er lässt den Eimer ins Wasser fallen und zieht ihn langsam und bedächtig wieder hoch. „Schau in den Brunnen!“ sagt er, „was siehst Du da?“ Der Mann guckt in den Brunnen: „Ich sehe absolut nichts. Schwarz.“
Der Mönch wartet eine Weile, dann fordert er den Besucher auf: „Schau nochmal in den Brunnen! Was siehst Du jetzt?“ Der Mann guckt wieder runter. „Ja, jetzt sehe ich was, ich sehe - ja- mich selber!“
Da sagt der Mönch: „Schau, als ich vorhin Wasser geschöpft hab, war das Wasser unruhig. Klar, der Eimer ist ins Wasser geklatscht, es gab Wellen. Und du hast natürlich nicht viel gesehen. Jetzt ist das Wasser ruhig, kein Eimer, keine Wellen.
Das ist die Erfahrung der Stille: der Mensch wird ruhig wie das Wasser und in dieser ruhigen Stille sieht er sich selber – und dort, in der Stille, in der Tiefe begegnet er Gott!“

frei nach Erhart Kästner

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20164
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