SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

 - oder fair streiten  

Wenn ich etwas ganz besonderes Positives über einen Menschen sagen soll, egal ob wir eng befreundet oder nur dienstlich miteinander zu tun haben, dann sage ich: mit ihm oder ihr kann man gut streiten. Das meint nicht, dass ich streitsüchtig bin oder bei der kleinsten Meinungsverschiedenheit sofort einen Streit vom Zaun brechen will. Natürlich ist es mir auch lieber, wenn es harmonisch zu geht. Aber wenn es sein muss, wenn ein Streit unausweichlich ist, dann weiß ich, dass ich bei aller harten Auseinandersetzung, bei allen argumentativen Attacken, ja auch selbst dann wenn die Gefühle hoch kochen, immer ein faires Gegenüber habe. Jemand der mit offenem Visier kämpft, der ungeschminkt, direkt und ehrlich mir die Meinung sagt. Das gefällt mir natürlich meistens nicht aber davor habe ich weitaus mehr Respekt als vor Menschen, die freundlich tun und hintenherum hinterlistig und verschlagen über mich lästern. Ich streite mich nicht um des Streites willen sondern weil mir eine Meinung so wichtig ist, dass ich sie mit allen Kräften verteidige und sogar hoffe, dass mein Gegenüber davon überzeugt wird. Genau das Gleiche hofft umgekehrt der Andere. Wenn wir beide dabei nicht von vornherein kompromisslos verhärtet bleiben sondern bereit sind möglicherweise den besseren Argumenten zuzustimmen, dann kann es beim Streit ruhig heftig zugehen, vielleicht führt er auch nicht direkt zu einer Lösung sondern erst einmal zu einer Art „argumentativem Waffenstillstand“. Aber beschädigt beide nicht in ihrer Würde und dem gegenseitigen Respekt voreinander. Dass es allerdings oft anderes zugeht, davon wusste schon der Apostel Paulus wenn er die Galater ermahnt: „ Wenn ihr einander beißt und verschlingt, dann gebt Acht, dass ihr euch nicht gegenseitig umbringt.“(Gal 5,15) Um dem zu entgehen kann es vielleicht helfen ein Stoßgebet in den Himmel zu schicken, wenn ich merke ein Streit kündigt sich unausweichlich an. Vielleicht so: „Halt mich an der Leine, Herr“ oder „Herr hilf, es geht los“. In Langfassung könnte das so lauten: 

Herr bleib bei uns bei dem, was jetzt ansteht.

Lass mich meine Worte so wählen,

dass ich sie später nicht bereue.

Lass mich klar sein und deutlich,

aber auch fair und nicht verletzend,

- jedenfalls so gut wie es irgend geht.

Sei Du die Hand die ausgestreckt wird,

wenn das Unwetter verklungen ist.

Sei Du die Versöhnung, die ich noch nicht hinbekomme.

Wache Herr über das was jetzt kommt.

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