Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Nur nicht hochschauen! Hoffentlich übersieht er mich!“ Ich kann mich noch genau an die Schulstunde erinnern. Der Lehrer schaut in die Runde, um sich jemanden herauszupicken. Keiner will auffallen, jeder denkt: „Wär‘ ich doch  nur unsichtbar…“ Aber natürlich hat es eine von uns dann doch erwischt…
Ich kann mich noch genau an dieses Gefühl  erinnern: Die Scham, die Angst, sich vor den Anderen zu blamieren.  Auch heute werden Menschen oft beschämt, weil andere sie bloß stellen. Manche denken nicht daran, was es mit Menschen macht, wenn sie so beschämt werden. Wenn man nur noch unsichtbar sein will.
Eine Geschichte aus der Bibel zeigt: Es geht auch anders.  Da ist der Zöllner Zachäus, der allen viel zu hohe Zölle abverlangt. Klar, dass er keine Freunde hat, er ist ja ein echter Halsabschneider. Als Jesus in die Gegend kommt, will auch Zachäus ihn unbedingt sehen. Weil er klein ist und die Anderen  ihn nicht vorlassen, muss er auf einen Baum klettern.  „Guckt mal, der Zachäus,“ haben die Anderen wohl gerufen, „Dieser armselige kleiner Wicht! Wie er da im Baum hängt!“  Ich kann mir gut vorstellen, dass es Zachäus ähnlich gegangen ist wie uns in dieser Schulstunde. „Wär ich doch nur unsichbar!“
Aber Jesus sieht ihn trotzdem und geht auf ihn zu. Nicht, um ihn noch mehr zu beschämen. Was die Leute denken, das ist Jesus egal.
Ihm geht es um den Menschen  Zachäus. Es geht ihm darum, dass Zachäus seine Würde wieder gewinnt. Dass er wieder mit Gott ins Reine kommt. Deshalb hat Jesus ihn auch nicht auf seine Fehler festgelegt. Und so hat Zachäus dann den Mut gefunden, neu anzufangen, anders zu werden. Gerade weil er nicht beschämt wird, sondern als Mensch gesehen wird!
Und das gilt auch noch heute:  Es bringt was, uns nicht gegenseitig zu  beschämen, sondern aufzurichten – ob in der Schule oder anderswo.  
Und zu einem, der sich schämt, zu sagen: „Kopf hoch – wir sind doch alle nur Menschen!“

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