Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Wenn ich Ihren Sohn sehe, dann muss ich weinen – weil ich dann an meinen denke! Und der ist weit weg.“ Das sagt mir eine afghanische Mutter. Wir treffen sie bei einer Begegnung mit Flüchtlingen. Sie ist mit ihrer kleinen Tochter  nach Mainz geflüchtet, vor  Krieg und Terror. In den Monaten hier hat sie schon ganz gut Deutsch gelernt.
Sie erzählt  von der Angst, von den Schleppern, von Hunger und Durst. Vor allem aber erzählt sie das: Auf der Flucht ist sie von ihrem Mann und ihrem Sohn getrennt worden.  Die sind jetzt in Griechenland. Die Frau ist dem Terror entkommen. Aber jetzt getrennt von Mann und Sohn. Dann fällt ihr Blick auf meinen Sohn und sie sagt in ihrem gebrochenen Deutsch: „Wenn ich ihren Sohn sehe, dann muss ich weinen. Weil ich dann an meinen denke…“  
Auch wenn sie weint – für mich ist  diese Frau unglaublich stark! Aber diese Trennung macht sie fertig. „Geht es denn gar nicht, dass Sie wieder mit Ihrem Sohn und Mann zusammenkommen?“ frage ich – und bekomme die Antwort  „Ohne Pass geht gar nichts!“
Wir haben ein Europa ohne Grenzen. Ein Europa auch mit Krisen und vielen Fragen – aber eins, dass doch offen sein will und menschenfreundlich! Und dann soll ist es nicht möglich sein, dass eine Familie wieder zusammen kommt?  Irgendwie beschämend.. Ich und viele, die ich kenne, verstehen nicht, warum es für solche Familien keinen  besseren Weg gibt.
Klar,  es muss Zuständigkeiten und Regeln geben. Jesus allerdings hat mal gegen alle Vorschriften verstoßen – als er am Sabbat einen Menschen geheilt hat. Das war absolut verboten.  Er hat danach erklärt „Das Gesetz ist für den Menschen da; nicht umgekehrt!“  Christlich gesprochen geht es zuerst um den Menschen, um seine Würde.  Das sollten wir im Sinne Jesu nie vergessen – die Menschen sind wichtig, gerade die in Not. Und nicht zuerst unsere Vorschriften und Sicherheiten. Regeln müssen sich am Maß der Menschlichkeit messen lassen.
Die Mutter aus Afghanistan hat zum Abschied  noch gelächelt und gemeint: „Ich werde sie wiedersehen, meinen Sohn und meinen Mann. Denn die Menschen hier sind nett. Die werden mir helfen.“

Ich hoffe,  sie hat recht! Auch um unseretwillen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20113
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