SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Viele Menschen, vor allem ältere, kennen noch das Lied „Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben“. Zu Beginn des Sommers wird es heute noch in vielen Gottesdiensten gesungen. Früher sind die ersten Strophen auch bei Dorffesten und in Landvereinen gesungen worden. Die erste Hälfte des Liedes spricht die Naturverbundenen an: „Die Bäume stehen voller Laub“ und: „Die Lerche schwingt sich in die Luft“ Aber auch: „Der Weizen wächset mit Gewalt.“ In meiner Kinderzeit im Kindergottesdienst und bei manchen Festen haben wir uns auch auf die erste Hälfte des Liedes beschränkt.
Später, als ich mich mit dem ganzen Lied befasst habe, habe ich entdeckt, dass Paul Gerhardt bei aller Freude an der Schöpfung und dem Leben hier und heute, den Blick weiten will. Er verlockt zu einem Blick hinter den Horizont.
Er will Sehnsucht nach dem Himmel wecken. Er besingt das mit alten Bildern:
„Ach, denk ich, bist du hier so schön und lässt du’s uns so lieblich gehen
auf dieser armen Erden;
was will doch wohl nach dieser Welt dort in dem reichen Himmelszelt
und güldnen Schlosse werden.“
Mir gefällt an dem Sommerlied von Paul Gerhardt mit den Himmelsstrophen, dass er beides zusammen hält: hier und heute das Leben dankbar genießen und mich auf ein Leben nach dem Tod freuen. Der Liederdichter will mir helfen, dass ich mich auf den Himmel freuen kann.
Mich sprechen diese Bilder an. Mir sagen sie: Es gibt mehr als das, was wir heute erfahren. Ich darf mich auch auf ein Leben nach dem Tod freuen. Dabei muss ich das Leben auf der armen, vergänglichen Erde nicht schlecht machen. Aber ich muss es auch nicht krampfhaft festhalten. Ich muss nicht alles haben. Ich kann anderen gönnen, was sie können und haben, und kann mich mitfreuen. Ich kann abgeben und teilen. Ich meine, wer mit dem Himmel, mit einem Leben nach dem Tod rechnet, kann besser mit dem Unvollkommenen umgehen und mit dem, was nicht so gelingt. Das Leben hier und heute und das Leben in der Ewigkeit sind beide von Gott gegeben. Daran möchte ich mich halten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20100
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